
Mausefallen: Wippen und Wasserbehälter
Besuch beim Fallensammler Aus die Maus
Wolfhard Klein ist ein friedfertiger Mensch - und doch kennt er alle Arten des Todes: Von Strangulieren über Ertränken bis hin zu Köpfen oder Erschlagen mit einem Holzklotz. Das Opfer ist dabei immer eine Maus. Der 65-Jährige aus Jugenheim in Rheinland-Pfalz sammelt Mausefallen. Rund 250 Exemplare kann er vorweisen, und es handelt sich beileibe nicht um eine lange Reihe kleiner Holzbrettchen mit Metallfedern. Die Menschheit ist sehr phantasievoll, wenn es darum geht, den Nagern den Garaus zu machen. Und sie nutzt dabei immer die aktuellen technischen Trends.
Die moderne Mausefalle etwa schickt ihrem Besitzer bei Vollzug eine SMS mit dem Inhalt "Maus gefangen". Die erforderliche Energie für das Senden der Kurznachricht erzeugt - ökologisch korrekt - keine Batterie, sondern das gefangene Tier selbst.
In grauer Vorzeit ging es auch schon brachialer zu. Damals waren aus Stäben und Bändern konstruierte Schlagfallen angesagt - jedenfalls in Norditalien. "Einfach aber effektiv", urteilt Klein. Er besitzt ein Exemplar, angefertigt nach dem Vorbild einer Höhlenzeichnung aus der Zeit um 6.000 vor Christus.
Neuzeitliche Exemplare erinnern schon mal an Mini-Kanonen. Dieser Typus wird vor allem in Wühlmaus-Gängen aufgestellt und schießt mit Neun-Millimeter-Patronen auf seine Opfer. Allerdings sind vor der Falle alle gleich. Sie schießt, egal ob eine Maus oder eine leichtsinnig grabende Menschenhand den Mechanismus auslöst. "In Zeitungen ist immer wieder von Schussverletzungen durch Mausefallen zu lesen", berichtet Klein.
Damit gar nicht erst ein falscher Eindruck entsteht: Der Rentner mag Mäuse. Er findet sie niedlich, schlau und äußerst geschickt. Als sein eigener Keller einst von Mäusen heimgesucht wurde, hat er eine Reusenfalle aufgestellt und jedes der 16 Tierchen hinaus in die Natur getragen. Lebend.
Kleins Interesse an den Tötungsmaschinen wurde durch einen blinden Fleck geweckt. In den achtziger Jahren stellte er fest, dass Mausefallen nicht in Lexika erwähnt wurden. Die Fangapparate seien "nicht lexikonwürdig" habe man ihm aus den Verlagen beschieden. Das sah der Hörfunk-Journalist anders. Und weil er ein Typ ist, der so etwas nicht auf sich beruhen lässt, fing er an zu recherchieren. "Ich wollte nie sammeln", sagt er. Besonders gut ist ihm das offensichtlich nicht gelungen. Mittlerweile sind seine Fallen regelmäßig bei Ausstellungen zu sehen.
Immerhin hat er für seine Sammlung kaum Geld ausgegeben. Fast alle Exemplare wurden ihm geschenkt - von den Herstellern und nach Haushaltsauflösungen. Oder er tauschte mit Gleichgesinnten. Man kennt sich eben, im Kreise der rund 50 deutschen Mausefallen-Sammler.
Wie schalte ich die Maus aus?
Sein liebstes Stück ist ein Fangautomat aus der Zeit um 1900. "Das ist fast ein Perpetuum mobile", sagt er. Immer dem Köder folgend klettert die Maus dabei Gänge hoch und runter, öffnet und schließt Klappen, bis sie schließlich in einem mit Wasser gefüllten Behälter landet. Bis zu zehn Tiere können so gefangen werden, ohne dass der Besitzer sich kümmern muss. Genau das ist es, was ihn so reizt. Die technische Raffinesse, die Vielzahl der Wege, mit denen die Menschen der Frage nachgehen: Wie schalte ich die Maus aus?
Klein sammelt nicht nur Fallen, sondern auch Wissen über die Tiere. So kann er etwa berichten, dass gestampfte Mäuseherzen noch im 18. Jahrhundert als Aphrodisiakum eingesetzt worden seien. Mäusekot diente als Medizin im Kampf gegen Zahnschmerzen. Und die Nager können singen. "Im Obertonbereich - vermutlich werben die Männchen so um die Weibchen", sagt Klein.
Über die Geschichte der Fangapparate hat Klein ein Buch namens "Mausetod!" geschrieben. Dafür ist er auch der sexuellen Symbolik nachgegangen, die Mäuse und Fallen durch die Jahrhunderte begleitet. In einer Tageszeitung schaltete er - als eine Art Selbstversuch - eine Bekanntschaftsanzeige mit dem Text "Suche Maus für Mausefalle". Er wurde mit Angeboten überhäuft - von Frauen und Männern gleichermaßen. Neben eher romantischen Einladungen von "R., 27 Lenze jung, blond" oder einer 25-jährigen Pädagogin, die sich - vielleicht - fangen lassen will, erhielt er auch sehr unmissverständliche sexuelle Angebote.
Die moderne Maus, auch das kann man bei Klein noch lernen, zieht eine fettige Pommes oder ein Stück Schokolade dem traditionellen Speck vor. Wobei der Köder eigentlich zweitrangig ist. "Eine gute Falle ist eine benutzte Falle", erklärt Klein. Mäuse geben über ihre Füße Sexuallockstoffe ab. Wo eine Maus war, werden weitere folgen.