Mögliche Trümmer von MH370 Was wir zum Fund auf La Réunion wissen - und was nicht

Mögliche Trümmer von MH370: Was wir zum Fund auf La Réunion wissen - und was nicht
Foto: STRINGER/FRANCE/ REUTERS"Gute Nacht, Malaysian drei sieben null", die letzten Worte aus dem Cockpit von Flug MH370, gesprochen vor fast anderthalb Jahren, am 8. März 2014, kurz bevor die Maschine auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking verschwand. Was an Bord geschah, ist bis jetzt unklar. Trotz aufwendiger Suche vor der Westküste Australiens gibt es nicht die geringste physische Spur der Boeing 777. Oder muss es korrekter heißen: Bis gestern gab es nicht die geringste Spur?
Auf der Insel La Réunion im indischen Ozean wurde am Mittwoch ein Trümmerteil angeschwemmt, das von MH370 stammen könnte. Noch gibt es dafür keinen Beleg. Aber allein die Möglichkeit einer konkreten Spur versetzt Beobachter in Aufregung. Experten halten einen Zusammenhang mit MH370 zumindest für möglich und wollen das Material nun prüfen.
Wie beurteilen die Verantwortlichen den Fund? Wie aussagekräftig kann das Teil sein? Und was kann es für den Fall bedeuten? Fragen und Antworten im Überblick.
Welche Reaktionen gibt es auf den Fund?

Strand in Saint-Andre: Hier wurde das Trümmerteil gefunden
Foto: STRINGER/FRANCE/ REUTERSDas Wrackteil sei noch "nicht identifiziert", teilte die Präfektur des französischen Übersee-Départements mit. Es werde jedoch "keine Hypothese ausgeschlossen, einschließlich der Herkunft von einer Boeing 777".
Andere sind weniger zurückhaltend: Die malaysischen Behörden etwa sind sich nach Regierungsangaben "fast sicher", dass das Teil von einer Boeing 777 stammt. Australiens Verkehrsminister hält es sogar für eine "realistische Möglichkeit", dass es zu Flug MH370 gehört. Der Fund sei eine bedeutende Spur, sagte Warren Truss. Auf dem Teil sei eine Nummer eingestanzt, mit der man es genau zuordnen könne. Das werde aber noch einige Zeit dauern.
Malaysia Airlines wollte sich an Spekulationen nicht beteiligen: "Im Moment wäre es für die Airline zu früh, über die Herkunft des Objekts zu spekulieren." Auch Angehörige der Passagiere äußerten sich skeptisch. Sie hoffen zwar auf Gewissheit, aber viele fürchten, es sei bloß ein weiteres Gerücht und warten auf eine offizielle Bestätigung.
Was für ein Teil wurde auf La Réunion angeschwemmt?

Trümmerstück auf La Réunion
Foto: Zinfos974/ dpaNach Ansicht von Experten könnte es sich um eine Flügelklappe handeln. Die englische Bezeichnung dafür - flaperon - setzt sich zusammen aus den Begriffen "flap" (Klappe) und "aileron" (Querruder), da die Flügelklappen Funktionen beider Teile kombinieren. Eine Flügelklappe ist in der Regel sehr leicht und schwimmfähig. Bei einem Aufprall könnte das Teil vom Rest des Flügels abreißen.
Kann man anhand eines Wrackstücks auf den Flugzeugtyp schließen?
Ja. Für heutige Flugzeuge existieren ganze "Lebenslaufakten", in denen alle verbauten Teile inklusive ihrer Zulassung aufgeführt werden. Professionelle Unfallermittler können in Wrackstücken lesen wie in einem offenen Buch. Bei den hochkomplexen Auswertungen und Analysen spielen selbst kleinste Hinweise oft eine große Rolle.
Auf welcher Route flog MH370?
Das Passagierflugzeug der Malaysia Airlines mit 239 Menschen an Bord wich kurz nach dem Start in Kuala Lumpur von der geplanten Route ab. Gegen 1:21 Uhr Ortszeit verschwand die Maschine vom Radar, drehte offenbar nach Südwesten ab und überquerte das malaysische Festland.
Nach Auswertung von automatischen Satellitensignalen ("Pings") gehen Experten davon aus, dass die Maschine sieben Stunden Richtung Süden über den Indischen Ozean flog.
Das Absturzgebiet wird westlich von Australien vermutet, in einem Bogen, der sich rund 2000 Kilometer vor der Küste von Nordosten nach Südwesten erstreckt.

Wo wurde bislang nach MH370 gesucht?
Australien koordiniert die Wracksuche im Indischen Ozean - in einer der unwegsamsten Ozeanregionen mit rauem Wetter. Schiffe suchen mit Unterwassergerät seit mehr als einem Jahr dort. Etwa 55.000 der insgesamt 120.000 Quadratkilometer haben sie bislang ergebnislos untersucht. Das Wasser ist dort teils 6000 Meter tief. La Réunion liegt mehr als 4000 Kilometer westlich des Suchgebiets.

Illustration der Unterwassersuche: Trotz hohem Aufwand vor Australien nichts gefunden
Foto: AFP PHOTO / FUGROIst es denkbar, dass Trümmerteile nach La Réunion treiben?
Ja. Ozeanografen halten das für plausibel. Computermodelle geben es demnach her, dass das auf der Insel angespülte Trümmerteil tatsächlich aus dem vermuteten Absturzgebiet von MH370 stammt (eine ausführliche Analyse lesen Sie hier).
Was könnte die Fundstelle über den Absturzort aussagen?
Nicht viel. Konkrete Aussagen zur Absturzstelle lassen sich auch dann kaum treffen, wenn sich ein Zusammenhang mit MH370 bestätigt. Erik van Sebille vom Imperial College London etwa warnt im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE: "Grundlegende Physik" verhindere, dass man ohne Weiteres vom Fundort auf La Réunion zum Absturzort zurückrechnen könnte: "Im Indischen Ozean geht es zu wie in einem Flipperautomaten."