"Covid-Presse" Staatsschutz ermittelt wegen erhängter Puppe auf Brücke
Ein Foto, das der Chefredakteur des "Mindener Tageblatts", Benjamin Piel, am späten Samstagnachmittag bei Twitter veröffentlichte, sorgt für Empörung, nicht nur unter Medienschaffenden: Zu sehen ist eine unbekleidete männliche Schaufensterpuppe, die auf einer Brücke mit einem Seil um den Hals aufgehängt wurde. Die Füße schweben über dem Boden, vor dem Bauch hängt ein Pappschild, auf das jemand "Covid-Presse" geschrieben hat. Über dem Gesicht klebt ein weißer Zettel mit der Aufschrift "blind".
"Wenn aus Kritik an Journalisten Hinrichtungsphantasien werden, ist das verabscheuenswert", schreibt der Journalist Piel.
Wenn aus Kritik an Journalisten Hinrichtungsphantasien werden, ist das verabscheuenswert. In Minden war es heute Nacht so weit - eine erhängte Schaufensterpuppe baumelte an einer Brücke über die Weser. Scheußlich. pic.twitter.com/eWMZt6xaAV
— Benjamin Piel (@benjamin_piel) October 24, 2020
Zuvor hatte das Bündnis "Minden gegen Rechts" das Foto von der Weserfußgängerbrücke im nordrheinwestfälischen Minden auf Facebook gepostet und kommentiert: "Ganz offensichtlich soll mit dieser Installierung eine Hinrichtung von Medienschaffenden assoziiert werden."
"Gehen von einem politischen Hintergrund aus"
Ein Passant war in der Nacht von Freitag auf Samstag auf die Puppe aufmerksam geworden und hatte die Polizei alarmiert. Beamte stellten die Figur sicher, der Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.
"Wir gehen von einem politischen Hintergrund aus", sagte eine Sprecherin der Polizei Bielefeld dem SPIEGEL. Jetzt werde wegen Beleidigung und Volksverhetzung ermittelt. Es gebe aber bisher keine konkreten Hinweise auf eine Verbindung zu den Demonstrationen der Initiative "Querdenken 571", so die Sprecherin. Die Gegner staatlicher Anti-Corona-Maßnahmen waren am Samstag in Bielefeld und Minden auf die Straße gegangen.
Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte Chefredakteur Piel am Sonntag, dass Kritiker der Corona-Maßnahmen seit Monaten etwa alle zwei Wochen in Minden demonstrierten. Dabei werde Stimmung gegen Medien gemacht, auch gegen das "Mindener Tageblatt".
Seiner Zeitung sei journalistische Neutralität abgesprochen und Käuflichkeit vorgeworfen worden, so Piel. Kolleginnen und Kollegen, die zum Thema Corona berichteten, seien besorgt angesichts der aggressiven Stimmung.
"Anschlag auf unsere Demokratie"
Achim Post, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Abgeordneter für den Mühlenkreis Minden-Lübbecke, bezeichnete den Vorfall als geschmacklos, als einen "direkten Anschlag auf unsere Demokratie und sie tragende Säulen wie die Pressefreiheit". Post sagte, er sei sicher, dass sich "die übergroße Mehrheit in Minden und ganz Deutschland" solchem Ansinnen entgegenstelle.