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Missbrauchsfall Lügde Ausschuss will Zeugin zur Aussage zwingen

Eine Jugendamtsmitarbeiterin weigert sich, vor dem Untersuchungsausschuss im Fall Lügde Fragen zu beantworten. Die Parlamentarier haben nun einen Antrag auf Zwangsmittel eingereicht, der Frau droht sogar Haft.
aus DER SPIEGEL 30/2020
Campingplatz in Lügde (Archivbild)

Campingplatz in Lügde (Archivbild)

Foto: Guido Kirchner/ picture alliance/dpa

Einer Sozialarbeiterin des Jugendamts Hameln-Pyrmont droht im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall von Lügde ein Ordnungsgeld und sogar Haft. Das geht aus einem Antrag hervor, der vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingereicht wurde.

Der Ausschuss soll das Behördenversagen rund um den Fall aufklären, bei dem zwei Männer auf einem Campingplatz in Lügde Dutzende Kinder missbraucht haben, bevor der Haupttäter Ende 2018 festgenommen wurde. Das Jugendamt Hameln-Pyrmont hatte ihm 2016 ein Pflegekind in Obhut gegeben. Da das Kind aus Niedersachsen fortan in Lügde, Nordrhein-Westfalen, lebte, war auch das Jugendamt in Lippe zuständig. Die mangelhafte Zusammenarbeit der beiden Behörden über die Landesgrenze hinweg verhinderte vermutlich, dass der Missbrauch früher entdeckt werden konnte.

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Vor dem Untersuchungsausschuss in Düsseldorf weigerten sich mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamts Hameln-Pyrmont, Fragen zu den Vorgängen zu beantworten. Eine Sozialarbeiterin berief sich auf das Auskunftsverweigerungsrecht, laut ihrer Anwältin werde sie "keine einzige Frage" beantworten. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass ein Auskunftsverweigerungsrecht für jede Frage einzeln geprüft werden müsse. Die Parlamentarier wollen die Frau nun zur Aussage zwingen, indem sie das Gericht auffordern, gegen sie "ein Ordnungsgeld, Ordnungshaft oder Erzwingungshaft festzusetzen", wie es in dem Antrag heißt. Eine "fragenunabhängige Totalverweigerung" der Sozialarbeiterin sei nicht zulässig, sie habe "ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis verweigert". 

Auch gegen eine zweite Jugendamtsmitarbeiterin, die Fragen nicht beantworten wollte, beantragte der Ausschuss Zwangsmittel. Ein Ermittlungsrichter wird nun darüber entscheiden. 

"Blamabel"

Der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Landtag von Hannover, Volker Bajus, kritisiert die Auskunftsverweigerung der Jugendamtsmitarbeiter aus Hameln-Pyrmont vor dem Untersuchungsausschuss in Düsseldorf als "blamabel". "Aus Niedersachsen sollte alles getan werden, um zur Aufklärung des Behördenversagens beizutragen." Zwar sei verständlich, dass sich die Mitarbeiter nicht selbst belasten wollten, sie könnten sich aber dennoch zu Behördenabläufen äußern und damit zur Erhellung der Missstände beitragen.  

Erst kürzlich habe das Parlament erfahren, dass die Mitarbeiter aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont sogar verhindern wollten, dass ihre Aussagen im Bericht der von Landesregierung und Landkreis eingesetzten Sonderermittlerin auftauchen. "Das ist höchst problematisch", so Bajus, "die Opfer haben ein Recht darauf zu erfahren, wo und wann Behörden versagt haben." Aber auch die Landesregierung habe anderthalb Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals noch keine neuen Erkenntnisse vorgelegt.  

Die Grünen fordern einen eigenen Sonderausschuss im niedersächsischen Landtag, der laut Antragsentwurf "die strukturellen Versäumnisse im Fall Lügde, die Fehleinschätzungen und -entscheidungen im Jugendamt im Landkreis Hameln-Pyrmont sowie die Defizite in der länderübergreifenden Zusammenarbeit" aufarbeiten soll. Der Sonderausschuss müsse "noch diesen Sommer" auf den Weg gebracht werden, sagte Bajus. 

Stefan Birkner, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag, die den Antrag unterstützt, kritisiert die bisherige Aufklärung zum Behördenversagen im Fall Lügde als "schleppend und unergiebig". Für ihn sei deshalb auch die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss noch nicht vom Tisch, sollte die Große Koalition in Hannover nicht bereit sein, einem Sonderausschuss zuzustimmen.

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