Mordfälle Felix und Levke "Das ist eine Bombe"

Der mutmaßliche Mörder der achtjährigen Levke hat auch den Mord am gleichaltrigen Felix gestanden, die Leiche wurde in einem Fluss gefunden. Diese neue verbrecherische Dimension stellt die Polizei vor weitere Rätsel: Hat Marc Hoffmann noch andere Kinder auf dem Gewissen?

Cuxhaven/Hipstedt - Eine flackernde Kerze wies am Samstagabend mehreren Dutzend Menschen den Weg in die Kirche des niedersächsischen Ortes Hipstedt. Sie begrüßten sich stumm mit Händedruck. "Felix ist im Himmel", sagte Pastor Christian Klotzek zu Beginn der Andacht. Stunden zuvor war die Gewissheit gekommen: Der seit elf Wochen vermisste Achtjährige wurde ermordet - mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Mann, der gestanden hat, die gleichaltrige Levke aus Cuxhaven getötet zu haben.

Als die Sonderkommissionen "Felix" und "Levke" dies am Samstagnachmittag bekannt gaben, war die Verblüffung der Ermittler über die neue Dimension dieser Verbrechen spürbar. Dafür, dass ein pädophiler Täter sich an Jungen und Mädchen gleichermaßen vergreift, finden sie aus kriminalistischer Erfahrung nur dürre Worte: "Höchst unwahrscheinlich".

Der Leiter der Soko "Levke", Karsten Bettels, brachte es auf den Punkt. "Unsere Ermittlungsarbeit bekommt eine neue Dimension", sagte er am Samstag in Cuxhaven. Der Stader Oberstaatsanwalt Burkhard Vonnahme spricht von einer Bombe, die der mutmaßliche Mörder der achtjährigen Levke, Marc Hoffmann, habe platzen lassen. Zum Auftakt eines seit längerem vereinbarten Termins zwischen dem Rechtsbeistand und der Anklagebehörde erklärte einer der beiden Anwälte, "dass sein Mandat einräumt, Felix getötet zu haben", berichtet der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade: "Damit war das Gespräch beendet."

Zunächst stillschweigend machte sich die Soko "Felix" sofort an die Arbeit, durchsuchte mit Tauchern den Fluss Geeste bei Schiffdorf-Bramel. Diese Stelle hatte der Inhaftierte in seiner Erklärung präzise beschrieben. Um 17.35 Uhr wurden die Taucher fündig. "Eine verpackte Kinderleiche" - mehr wollte der sonst wortgewandte Sprecher der Soko Felix, Detlev Kaldinski, am Abend nicht sagen.

Polizei will Bewegungsbild erstellen

Keine 24 Stunden später verkündete die Soko-Leiterin Petra Guderian kurz und knapp: Bei dem in ein Bettlaken und Mülltüten gehüllten Körper "handelt es sich nach menschlichem Ermessen um Felix". Durch eine DNA-Analyse sei dies aber noch nicht bestätigt. Ob Felix so wie Levke sexuell missbraucht wurde, stehe nicht fest. Auch ob der Fundort der Leiche auch der Tatort ist, sei unklar.

Bettels sagte, es würden nun auch alle anderen Fälle von vermissten und getöteten Jungen in der Bundesrepublik überprüft. Bislang habe man nur Fälle von Mädchen in die Ermittlungen einbezogen. Die Polizei sei davon ausgegangen, dass sich Hoffmann bislang nur an solchen vergriffen habe. Hoffmann ist bereits wegen Sexualdelikten vorbestraft.

Um die Sprachlosigkeit zu durchbrechen, nannte Bettels erstmals öffentlich den Namen des Inhaftierten: "Wir brauchen dringend Informationen, wo sich Marc Hoffmann überall aufgehalten hat, seitdem er mit 18 den Führerschein bekam." Bettels will ein Bewegungsbild des 31-Jährigen erstellen: "Zwei Kinder in sechs Monaten; jetzt bekommt unsere Arbeit eine neue Dimension."

Doch über deren Größenordnung kann Bettels noch nichts sagen: "Wir wissen nur, dass er nicht für alle Fälle vermisster Kinder in Frage kommen kann." Es sei nicht auszuschließen, dass er noch mehr Kinder ermordet habe. Einen konkreten Verdacht, dass Hoffmann der "schwarze Mann" sei, der in Norddeutschland und Frankreich in den letzten Jahren mehrere Jungen getötet haben soll, gebe es jedoch nicht.

Felix war am 30. Oktober mit seinem Fahrrad unterwegs gewesen, um Freunde zu treffen. Von Zeugen wurde er noch auf dem Heimweg gesehen, danach verlor sich seine Spur. Guderian sagte, nach dem Fahrrad von Felix werde weiter gesucht.

Der 31-jährige Hoffmann hatte sieben Monate nach dem Mord an Levke aus Cuxhaven-Altenwalde Anfang Dezember diese Tat gestanden. Das Mädchen war am 6. Mai vorigen Jahres vor seinem Elternhaus verschwunden. Im August war die Leiche im sauerländischen Attendorn gefunden worden.

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