Versteigerung in München "Zum Teil widerliche NS-Devotionalien"

Internetseite des Auktionshauses Hermann Historica
Foto: Hermann Historica500 Euro sind ein beachtliche Summe für ein Nachthemd und eine Unterhose, auch wenn sie aus Seide sind.
So lautet der Mindestpreis für das Los mit der Nummer 9022, das kommenden Samstagmittag beim Münchner Auktionshaus Hermann Historica aufgerufen werden soll. Wer den Zuschlag erhält, wird fortan Besitzer von Unterwäsche, die einst Hermann Göring, dem Stellvertreter Hitlers, gehörte.
Die Göring-Unterwäsche mit eingesticktem blauen Monogramm H.G. ist nur ein kleiner Teil der umfangreichen Sammlung des verstorbenen US-Mediziners John Kingsley Lattimer, die in München unter den Hammer kommen soll. Auch Krawatten, ein Schal und Socken von Hitler sowie mehrere Kleider Hitlers Geliebter Eva Braun sollen versteigert werden, zudem einige Textdokumente.
Hinter der Losnummer 9117 versteckt sich die Hülse, in der Göring die Giftkapsel aufbewahrt haben soll, mit der er am 15. Oktober 1946 in Nürnberg Selbstmord beging. Mindestpreis: 25.000 Euro. Weitaus günstiger ist da wahrscheinlich ein Teil des Stricks zu bekommen, mit dem Wilhelm Keitel, langjähriger Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, in Nürnberg gehängt wurde - die Losnummer 9152 startet mit einem Mindestpreis von 500 Euro.
Selbstverständlich, so erklärt es zumindest das Auktionshaus im Internet, werden die Objekte nur "unter strengen Auflagen" an Museen, Archive und "ernsthafte Sammler" vermittelt. Man trage mit der Arbeit dazu bei, dass Museen und Sammlungen die "Gelegenheit zum Erwerb von Zeitdokumenten zum besseren Zeitverständnis" besäßen.
"Fragwürdiger Umgang mit unserer Geschichte"
Kritiker sehen das anders. Die Auktion sorgt für erhebliche Bedenken in der bayerischen Landeshauptstadt - etwa bei Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er habe das Auktionshaus bereits 2014 gebeten, "eine ähnliche Auktion abzusagen oder zumindest sicherzustellen, dass die versteigerten Objekte nicht zur Verherrlichung des Nationalsozialismus missbraucht werden. Leider ohne Erfolg", erklärte Reiter SPIEGEL ONLINE.
"Ich kann nur erneut an das Auktionshaus appellieren, die Auktion abzusagen und sich der Verantwortung, die eine Versteigerung derartiger Devotionalien mit sich bringt, bewusst zu werden", ergänzte er.
Auch die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern äußerte sich besorgt: "Die Auktion zeugt von einem sehr fragwürdigen Umgang mit unserer Geschichte. Das ist nicht nur geschmacklos, sondern auch gefährlich", sagte Präsidentin Charlotte Knobloch. Es sei zu prüfen, ob derartige Aktionen der politischen Kultur zusätzlich schaden. Das Auktionshaus habe offenbar kein Problem damit, Geschäfte mit "zum Teil widerlichen NS-Devotionalien zu machen" und damit den Führer- und Nazi-Kult zu fördern, so Knobloch.
Das Auktionshaus hält sich bedeckt
Tatsächlich würde man von Hermann Historica gern wissen, inwieweit die Unterhose Görings oder die Teile eines Henkerstricks zu einem besseren Geschichtsverständnis beitragen sollen. Oder ob es nicht doch reichlich dick aufgetragen ist, wenn von solch hehren Zielen die Rede ist, weil es in Wahrheit um Profit und Kommerz geht? Denn so viel ist klar: Mit Nazi-Relikten lässt sich in manchen Kreisen auch heute noch gutes Geld machen.
Nur: Das Auktionshaus gibt sich ziemlich wortkarg. Zwar berichtet Miteigentümer Wolfgang Hermann im Internet, dass der US-Mediziner Lattimer schon im Kindesalter ein begeisterter Sammler gewesen sei - und dass einige der wichtigsten Stücke aus jener Zeit stammten, in der Lattimer während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse für die medizinische Versorgung der Angeklagten verantwortlich war.
Auf Anfragen von Journalisten zu der geplanten Auktion reagiert das Auktionshaus aber ausgesprochen restriktiv: Telefonische Auskünfte werden grundsätzlich nicht erteilt. Auf schriftliche Anfragen, etwa zu dem Ausstellungskatalog "The John K. Lattimer Collection. Hitler und die Nazi-Granden - ein Blick in den Abgrund des Bösen", folgt die Antwort, dass der "Zugang zu den Objekten und Katalogen der Zeitgeschichte" ausschließlich für Kunden bestimmt sei.
Man habe immer wieder erleben müssen, dass Berichte zum Thema Hermann Historica und der deutschen Zeitgeschichte "in der Regel sehr einseitig verfasst" seien. Man sei sich aber der "verhängnisvollen deutschen Geschichte von 1933 bis 1945 völlig bewusst" und lehne neonazistische und nationalsozialistische Strömungen kategorisch ab.
Interessenten für Görings Unterhose und den weiteren Nazi-Relikten können sich bereits am Freitag ein Bild von den Objekten machen - dann lädt das Auktionshaus zu einer öffentlichen Ausstellung ein.