Münsterland RWE lehnt Schadenersatz für Stromchaos ab
Münster/Bonn - Nach dem Winterchaos im Münsterland hat sich die Lage heute weitgehend entspannt. Allerdings waren immer noch rund 50.000 Menschen ohne Strom. 400 Mitarbeiter des Energiekonzerns RWE arbeiteten daran, die Leitungen zu reparieren - 50 Hochspannungsmasten waren beim Unwetter am Freitag umgeknickt. Die Menschen in der 20.000-Einwohner-Stadt Ochtrup mussten den dritten Tag in Folge ohne Heizung und Warmwasser auskommen.

Schnee statt Strom: Ochtrup bibbert
Zugleich wurde klar, dass die Betroffenen kaum auf die Regulierung etwaiger Schäden hoffen können. Der Stromversorger RWE, dessen geborstene Masten und Leitungen zu dem folgenschwersten Stromausfall in der deutschen Nachkriegsgeschichte geführt hatten, will für die Schäden nicht aufkommen. Es handele sich um höhere Gewalt, sagte RWE-Sprecher Klaus Schultebraucks. Genauso sieht das auch der Versicherer der RWE-Anlagen, die Westfälische Provinzial in Münster. "Es ist kein schuldhaftes Verhalten von RWE zu erkennen", sagte Sprecher Jörg Brokkötter. Der Bund der Energieverbraucher kritisierte diese Haltung. "Wer das Geschäft macht, darf sich bei der Haftung nicht drücken", hieß es.
Auch nach den Worten des nordrhein-westfälischen Innenministers Ingo Wolf (FDP) kann der Energieversorger RWE für den Stromausfall möglicherweise nicht haftbar gemacht werden. Es stelle sich die Frage, ob angesichts der "ganz außergewöhnlichen" Wetterlage nicht "höhere Gewalt" vorliege, die eine Schadenersatzleistung eventuell ausschließe, sagte Wolf heute im Deutschlandfunk. Pauschalkritik an den Stromversorgern sei unangebracht, weil eine derartige Situation in der Region "seit Menschengedenken nicht vorgeherrscht" habe. Niemand habe sie vorhersehen können.
Wolf betonte, dass Schadenersatzfragen erst geklärt werden könnten, wenn das ganz Ausmaß der Schäden bekannt sei. Ähnlich äußerte sich auch die für die besonders stark betroffenen Gemeinden zuständige Kreisverwaltung Steinfurt. Dieser Frage wolle man sich später annehmen, sagte Kreissprecherin Kirsten Weßling.
Die Bundesnetzagentur will Versäumnisse bei den Versorgern überprüfen. Derzeit werde ein Schreiben verfasst, mit dem sich die Agentur bei den Versorgern über die Geschehnisse in Nordrhein-Westfalen "im Detail informieren" lasse, sagte der Referatsleiter Energie bei der Bundesbehörde, Wolfgang Vedder. Die Stromversorger und Energieunternehmen seien verpflichtet, größere Störungen in ihrem Netz an die Bundesnetzagentur in Bonn zu melden.
"Wir stehen uns die Beine in den Bauch"
Auch Kritik am Krisenmanagement wird lauter. Helfer sprachen von "erschreckend wenig Kommunikation". Feuerwehrleute aus Hessen hatten bemängelt, sie seien 300 Kilometer weit in die Krisenstadt Ochtrup angereist und gar nicht gebraucht worden. "Wir stehen uns hier die Beine in den Bauch", sagte ein Feuerwehrmann. Mitgebrachte Notstromaggregate, etwa auf Bauernhöfen dringend benötigt, hätten ungenutzt herumgestanden.
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hatte bereits gestern angekündigt: "In den nächsten Tagen und Wochen werden wir überall da, wo Einsätze stattgefunden haben, nachdenken müssen, was man noch besser machen kann." Auch die Bundesregierung regte einen "Erfahrungsaustausch" mit Behörden, Energieversorgern und Technischem Hilfswerk an. Der Sprecher des Krisenstabes bei der Bezirksregierung Münster, Stefan Bergmann, sieht keinen Grund zur Kritik: "Es gibt keinen Anlass dazu zu sagen, das wäre komplett in die Hose gegangen", sagte er. "Wir machen aber selbstverständlich eine Manöverkritik."
Privathaushalte können immerhin Schäden wie etwa verdorbenes Gefriergut unter Umständen bei der Hausratsversicherung geltend machen. Darauf wies die Verbraucherzentrale NRW hin. Die Westfälische Provinzial machte jedoch deutlich, dass dies bei ihren Versicherten nur über neue Versicherungspolicen aus dem Jahr 2005 oder über Elementarschadenversicherungen abgedeckt sei.
Die Zahl der freiwilligen Helfer in der Krisenregion konnte heute von 4000 auf 3000 deutlich reduziert werden. Bereits am Wochenende hatten die Münsterländer kaum die bereitgestellten Notquartiere und weniger als von den Notdiensten vermutet die Suppenküchen in Anspruch genommen. Teilweise bleiben die Helfer auf Essensrationen sitzen.