"Ich setze mit dem Kopftuch ein feministisches Zeichen"

Mein Kopftuch und ich: Vier Frauen erzählen, warum sie es tragen — und wie sie mit Alltagsrassismus umgehen.

Dieser Beitrag wurde am 04.10.2015 auf bento.de veröffentlicht.

Huda Edelbrock, 21, aus Bielefeld: "Das Kopftuch gibt mir Selbstbewusstsein"

Das Kopftuch ist für mich vor allem ein Dienst an Gott, da es so im Koran vorgeschrieben ist. Zudem gibt es mir Selbstbewusstsein. Gleichzeitig setze ich mit dem Kopftuch auch ein feministisches Zeichen: Frauen werden eben nicht nur durch ihr Äußeres definiert. Mein Umfeld reagiert oft eher negativ, anfangs habe ich deswegen oft an mir gezweifelt. In der Schule haben mich zum Beispiel einige Mitschüler oft als “Turban Tussi” bezeichnet. Andererseits hat mich auch schon mal jemand gefragt, wie ich mein Kopftuch binde - es sehe so schön aus. Darüber habe ich mich total gefreut. Denn egal wie die Reaktionen sind, egal ob positiv oder negativ, alles bestärkt mich in dem, was ich tue.


Yasmin Nahhass, 20, aus Krefeld: "Ich fühlte mich bloßgestellt"

"Das Kopftuch gehört zu meinem Glauben, ich sehe darin aber auch etwas Feministisches: In den Medien wird die Frau oft zu einem Objekt der sexuellen Lust reduziert - das möchte ich vermeiden. Ich möchte, dass die Menschen meine inneren Werte wahrnehmen und in erster Linie darauf achten.

Nicht jedem gefällt das: Bei einer Veranstaltung zum Thema 'Revolution im Nahen Osten' habe ich nach einem Platz vor der Bühne gesucht. Plötzlich stand ein Mann auf und brüllte in meine Richtung. Wir seien hier nicht in Saudi-Arabien und mein Kopftuch gehöre hier nicht hin - Frauen in Saudi-Arabien würden dafür gesteinigt. Ich konnte in diesem Moment kein Wort herausbringen. Ich fühlte mich bloßgestellt und hätte am liebsten geweint. Bekannte sagten dann, sie würden die Polizei verständigen, wenn er nicht aufhört. Das half. Zum Glück habe ich so etwas nur einmal erlebt."

Selda Isik, 28, Dortmund: "Das Kopftuch ist nur ein Kleidungsstück"

"Meine Eltern waren nicht begeistert von meiner Idee, aber ich habe trotzdem ab der neunten Klasse Kopftuch getragen. Aus religiöser Überzeugung. Einige meiner Mitschüler hatte ich schon darauf vorbereitet, deshalb reagierten sie gelassen. Einige Lehrer aber guckten grimmig. Ich war aber stolz auf meine Entscheidung und auf meine Selbstbestimmung.

Im Psychologie-Studium begegnete ich offenen Menschen. Vielleicht lag das auch daran, weil ich sehr offen damit umging. Im Alltag vergesse ich oft mein Kopftuch, die Vorurteile und die Ablehnung der anderen. Das Kopftuch ist für mich nur ein Kleidungsstück - nicht wichtiger als ein Pullover oder eine Hose."

Esim Karakuyu, 23, aus Karlsruhe: "Mein Kopftuch verleiht mir Selbstbewusstsein"

"Mit dem Kopftuch nehme ich mir die Freiheit, frei zu sein. Mein Kopftuch verleiht mir Kampfgeist und Selbstbewusstsein. Es ist auch eine einfache, freie Glaubenshandlung. In meinem Umfeld habe ich leider schon sehr viel Diskriminierung erlebt. Einmal habe ich einige Tage vor Praktikumsbeginn einen Anruf bekommen: Sie hätten sich doch umentschieden, weil sie keine Praktikantin mit Kopftuch haben wollen. Ich wollte es aber für das Praktikum nicht abnehmen. Da sagten sie, dass ich islamistisch sei und mein pädagogisches Studium lieber abbrechen soll. Mit dieser Einstellung würde ich sowieso keinen Job finden. Damals war ich sehr verzweifelt. Zum Glück haben meine Kommilitonen daraufhin mit mir nach Praktikumsstellen gesucht, selbst meine Dozentin hat mir geholfen. Ich fand das klasse: Es gibt mir Hoffnung."

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