Zschäpe-Gefängnis Einzelzelle, karierte Bettwäsche
Karl Huber ist Präsident des Oberlandesgerichts München (OLG) und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Für die umstrittene, viel kritisierte und teils auch chaotische Platzvergabe im Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte musste er oft den Kopf hinhalten. Nach dem Losverfahren am Montag haben vier türkische Medien nun einen sicheren Platz.
Doch Huber hat bereits Tage zuvor Wiedergutmachung geleistet. Eineinhalb Stunden lang gab er dem türkischen Fernsehsender TRT ein Interview , deutschen Medien hatte er diesen Wunsch verwehrt. Eine Geste für die türkischen Journalisten, die ihm wichtig war, wie er SPIEGEL ONLINE sagt. "Es war ein sehr gutes Gespräch, in dem es auch darum ging, die entstandenen Unstimmigkeiten zu minimieren", so Huber.
Er sei "entsetzt" darüber, dass die Ermittlungsbehörden in all den Jahren nicht in der Lage gewesen seien, die Mordserie aufzuklären, sagt Huber in dem Fernsehinterview. Er bedauere auch, dass der Vorsitzende Richter des 6. Senats beim ersten Akkreditierungsverfahren für Journalisten mit seiner Annahme falsch lag, dass "die, die das größte Interesse an dem Prozess haben, sich auch als erstes anmelden". Vural Ünlü, Vorstandsvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Bayern, hatte das Treffen zwischen dem öffentlich-rechtlichen Sender aus Ankara und dem OLG-Präsidenten koordiniert.
Als erstes ausländisches Medium bekam TRT auch eine Drehgenehmigung für die Justizvollzugsanstalt Stadelheim (JVA), in der seit Mitte März Beate Zschäpe und seit Oktober der ebenfalls angeklagte Ralf Wohlleben untergebracht sind. "Anfangs wurde Beate Zschäpe bespuckt und angefeindet", so Ünlü, inzwischen habe sie Anschluss zu anderen Häftlingen gefunden und Kontakte aufgebaut. Den psychologischen Dienst der Anstalt habe sie nicht in Anspruch genommen.
Der Frauentrakt mit karierter Bettwäsche ähnelt einer Jugendherberge, die Zimmer sind allerdings mit Flachbildfernseher und Schreibtisch ausgestattet. Zschäpe sitzt in einer Einzelzelle, für Untersuchungshäftlinge üblich, nur aus Platzmangel in den meisten Gefängnissen oft nicht umsetzbar. Auch Standard: ein präparierter Laptop zum Sichten der Akten für die Vorbereitung zur Hauptverhandlung, aber ohne Internetanschluss.
"Aus unserer Sicht ist dieses Gericht erledigt"
Auch Landespolizeipräsident Waldemar Kindler traf sich mit den türkischen Journalisten. "Nur Horst Seehofer, sein Staatskanzleichef und Justizministerin Beate Merk sind zu keinem Gespräch mit Reportern aus der Türkei bereit", kritisiert Ünlü. Dabei sei gerade der Ministerpräsident als Landesvater politisch dafür verantwortlich, dass Bayern sein Image gerade rückt.
Die Staatskanzlei bestätigte die Anfragen des Senders, stellte jedoch klar: "Die Staatsregierung achtet die Unabhängigkeit der Gerichte uneingeschränkt. Der Ministerpräsident und der Staatskanzleichef kommentieren deshalb verfahrensleitende Maßnahmen des Oberlandesgerichts München nicht", erklärte ein Sprecher der Bayerischen Staatskanzlei. Das gelte sowohl für inländische als auch für ausländische Medien.
"Wir haben keine Anfragen abgewimmelt", betonte Wilfried Krames, Sprecher des bayerischen Justizministeriums. Vielmehr habe die JVA Stadelheim eine Sondergenehmigung für einen Dreh innerhalb der JVA organisiert. "Wir haben aber um Verständnis gebeten, dass sich ein Interview zu richterlichen Verfahrensentscheidungen wegen der richterlichen Unabhängigkeit verbiete und daher auf rechtspolitische Fragen konzentrieren müsse. Viele Fragen, die gestellt werden sollten, bezogen sich jedoch auf die richterliche Unabhängigkeit", so Krames.
Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bekir Bozdag hatte im Zusammenhang mit dem ersten gescheiterten Akkreditierungsverfahren geäußert, dass das OLG München sowohl seine Legitimität als auch seine Neutralität verspielt habe. "Dieses Gericht hat dieses Verfahren schon vor Prozessbeginn beendet", sagte er. Er erwarte kein gerechtes Urteil mehr. "Aus unserer Sicht ist dieses Gericht erledigt."
OLG-Präsident kommentierte diese Äußerungen erstmals im Interview mit TRT. "Solchen Behauptungen muss ich entschieden entgegentreten. Die deutsche Justiz und auch dieser Senat, der zu entscheiden hat, ist absolut unabhängig und objektiv und wird dieses Verfahren in rechtsstaatlicher Art und Weise durchführen."
Ünlü, Vorstandsvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Bayern, wertet diese Äußerungen als "spiegelbildlich zu den Geschehnissen um den Fall Marco Weiss". Der Uelzener hatte 2007 im Urlaub in Antalya mit einem 13-jährigen Mädchen eine Liaison, kam wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs in Untersuchungshaft und wurde in dem türkischen Urlaubsort zu einer Bewährungsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt. Seine Inhaftierung führte zu diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei.
"Infolgedessen kam die türkische Justiz ins Visier von deutschen Politikern und Medien, die EU Beitrittsfähigkeit der Türkei wurde in Frage gestellt", konstatiert Ünlü. "Umgekehrt entsteht nun angesichts des Akkreditierungschaos in München auf türkischer Seite Frust und vereinzelt Revanchegelüste seitens der türkischen Politik."