Ökumenischer Kirchentag Generation Gott
Berlin - Blaue Dixie-Klos sind das untrügliche Zeichen für Großveranstaltungen. Noch ist der Platz vor dem Brandenburger Tor ruhig, nur ein paar Absperrgitter rund um die neu angelegten Blumenrabatten lassen ahnen, dass eine große Zahl von Menschen im Anmarsch ist. Hinter dem Tor schwebt ein orangefarbener Riesenluftballonreif - einen Heiligenschein soll er symbolisieren, erinnert aber mehr an die Wasserrutsche eines Spaßschwimmbades.
Unter diesem Heiligenschein sammeln sich am Mittwoch um 18 Uhr rund 200.000 katholische und protestantische Christen zum spektakulären Eröffnungsgottesdienst des ersten ökumenischen Kirchentags. Vier Tage lang wird Berlin unter dem Motto "Ihr sollt ein Segen sein" fest in christlicher Hand bleiben. Mehr Fest soll es werden denn ein Gottesdienst: Mit Musik, Theater und Licht-Installationen wollen die beiden großen Kirchen ihre Mitglieder aus ganz Deutschland begrüßen. Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder werden Grußworte sprechen. Danach versucht sich die Kelly Family mit dem musikalischen Segen.
Gedächtniskirche wird mit Licht rekonstruiert
Der "Abend der Begegnung" ist nur der Auftakt: In den Berliner Messehallen und im Zentrum rund um das Brandenburger Tor und den Gendarmenmarkt warten über 3200 Veranstaltungen auf die Besucher. Es gibt Konzerte, Diskussionsrunden, Kabarettveranstaltungen, Kunsthappenings. So wird etwa die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Turmspitze der Gedächtniskirche durch eine Lichtinstallation für die Dauer des Kirchentags "rekonstruiert". Der Kanzler diskutiert über die Zukunft Europas. Und mit dem Dalai Lama (Tibet), Rigoberta Menchú (Guatemala) und Carlos Belo (Osttimor) sind drei Friedensnobelpreisträger zu Gast.
Das Großereignis der Gläubigen soll aber auch zur politischen Plattform werden. Es gibt Veranstaltungen zum Streit um Schröders "Agenda 2010" und zu anderen sozialen Fragen. Nachträglich wurde eine Debatte zur künftigen Weltordnung eingeschoben. Schließlich waren viele Christen unter denen, die der Irak-Krieg zum Protest auf die Straßen getrieben hat.
Kirchentagskondome namens "glaub dran"
Die Veranstalter wollen durch die Vielfalt ein breites Publikum ansprechen: "Das Angebot richtet sich an Zielgruppen, die niemals gemeinsam in eine Veranstaltung gehen würden", erklärt Christiane Bergerau, Referentin des Evangelischen Kirchentags. Die 20.000 "Kirchentagskondome", die unter dem Motto "glaub' dran" an die jüngeren Besucher verteilt werden sollen, werden deshalb wohl auch das ein oder andere Kopfschütteln auslösen.
Veranstalter des Ökumenischen Kirchentags sind das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken und der Deutsche Evangelische Kirchentag. Sie erhoffen sich von dem christlichen Massenauflauf vor allem eine Stärkung der Ökumene. Damit ist sie im Trend mit der Generation Gott: Denn die Mehrheit der Deutschen hält die Trennung der beiden christlichen Kirchen sowieso nicht mehr für zeitgemäß. Dafür gebe es keine guten Gründe mehr, meinen 57 Prozent bei einer Umfrage von "polis". Katholiken und Protestanten äußerten sich mit 66 bzw. 60 Prozent sogar noch deutlicher.
Der erste ökumenische Kirchentag zeigt aber auch die Grenzen der Einigkeit. Denn es gibt Streit um die Eucharistie. Schon an Ostern hatte sich der Papst in einer Enzyklika gegen das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten ausgesprochen - und seinen eigenen Schäfchen in einem Lehrschreiben die Teilnahme am protestantischen Abendmahl verboten.
Das wollen sich die Gläubigen nicht gefallen lassen, viele Schäfchen bocken. Sie wollen Wein und Brot gemeinsam teilen. Der Kirchentag bietet die Plattform, dem Papst die Stirn zu bieten. Das soll am Donnerstag geschehen: Die evangelische Gethsemane-Gemeinde im Stadtteil Prenzlauer Berg lädt zu einer katholischen Messe und zu einem evangelischen Abendmahl ein - ausdrücklich ohne konfessionelle Beschränkung.
Die Idee dazu kommt von der ökumenischen Initiative "Kirche von unten" und der katholischen Initiative "Wir sind Kirche". Das Vorhaben sei "nichts Spektakuläres" betonen sie, es spiegele nur die Praxis in vielen Gemeinden wider. Welcher katholische Priester die Abendmahlsliturgie leiten wird, wollen die Initiatoren aber noch nicht verraten. Denn Vertreter der katholischen Kirche haben schon mit disziplinarischen Strafen gedroht.