Verdacht auf giftige Dämpfe Ölgestank belastet Kanaren-Urlauber in Condor-Jet

Der Co-Pilot eines Condor-Fluges nach Gran Canaria konnte am Freitag nur noch mit Atemmaske steuern: An Bord hatte sich ein übler Ölgeruch ausgebreitet. Nach der Landung wurde die Maschine getestet - zwei Mitglieder der Crew fielen in Ohnmacht und mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Condor-Boeing (Archivbild): "Den ganzen Flug Kopfschmerzen"

Condor-Boeing (Archivbild): "Den ganzen Flug Kopfschmerzen"

Foto: Werner Kerschbaummayr/ DPA

Hamburg/Berlin - Der Geruch war so stark, dass sich Endrik Hasemann an Bord des Condor-Flugs DE 5944 am Freitag ein T-Shirt über die Nase halten musste: Er habe zeitweise das Gefühl gehabt, nicht mehr atmen zu können. "Es roch nach verbranntem Plastik oder wie verdampftes Öl, auf jeden Fall ein chemischer Geruch", berichtet Hasemann SPIEGEL ONLINE. Während des gesamten Flugs von Hamburg nach Gran Canaria habe er Kopfschmerzen gehabt, ihm sei leicht übel gewesen.

Was der Passagier nicht wusste: Der Co-Pilot saß zu diesem Zeitpunkt mit einer Atemmaske hinter dem Steuerknüppel der Maschine. Ein übler Ölgeruch von den Triebwerken hatte sich in Cockpit und Kabine breitgemacht, bestätigten andere Zeugen SPIEGEL ONLINE. Die achtköpfige Crew informierte die 242 Reisenden an Bord zunächst allerdings nicht über die Ursache des Gestanks.

Condor-Sprecher Johannes Winter sagte, die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) sei informiert worden. Es gebe aber bei der Suche nach der Geruchsquelle noch keine Spur. Die Boeing 757-300 war zuletzt im vergangenen März gecheckt worden.

Seit einiger Zeit machen solche Zwischenfälle Schlagzeilen. In den Triebwerken, von wo die Kabinenluft angesaugt wird, kommt es immer wieder zu technischen Störungen. Die Folge: Ein Gestank wie nach alten Socken macht sich in der Pilotenkanzel und der Kabine breit. Piloten fürchten diese Zwischenfälle, weil der Rauch ein Nervengift enthalten könnte, das in den Triebwerksölen verwendet wird.

Der neuerliche Zwischenfall vom Freitag - diesmal an Bord der Boeing mit dem Kennzeichen D-ABOC von Hamburg nach Las Palmas - veranlasste die Crew, die Triebwerke nach der Landung erneut hochzufahren und zu testen. Die Passagiere hatten die Kabine bereits verlassen.

Bei diesem sogenannten Run-up sei die Geruchsbelastung so massiv gewesen, dass zwei Mitglieder der Kabinenbesatzung das Bewusststein verloren, berichten Condor-Flugbegleiter. Die Betroffenen wurden ins Krankenhaus gebracht, wo Blutproben entnommen wurden. Mittlerweile befinden sie sich wieder auf dem Rückweg nach Deutschland.

Beinahe-Crash 2010 schreckte Öffentlichkeit auf

Die Boeing-Maschine von Condor wurde vorübergehend stillgelegt. Der Rückflug der Maschine wurde gestrichen, die dafür vorgesehenen Passagiere mussten eine Nacht auf Gran Canaria verbringen. Inzwischen hat die BFU die Ermittlungen aufgenommen. Dazu wurden die Flugdatenschreiber sichergestellt.

Bei einem ähnlichen Zwischenfall vor zwei Jahren hatten die Piloten einer Germanwings-Maschine beinahe die Kontrolle über ihren Airbus verloren. Berichten zufolge bemerkten die Männer beim Landeanflug auf den Flughafen Köln/Bonn einen ungewöhnlichen Geruch - sie verloren fast das Bewusstsein. Luftfahrtexperten vermuteten hinter dem Geruch giftige Öldämpfe.

Seit dem Bekanntwerden des dramatischen Vorfalls ist die Öffentlichkeit sensibilisiert: Die Hersteller von Flugzeugen, Triebwerken und Turbinenölen stehen unter stärkerem Druck, nach Maßnahmen gegen die Belastung von Kabinenluft durch giftige Dämpfe zu suchen.

Im Herbst vergangenen Jahres warnte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer vor einer Zunahme solcher Zwischenfälle. Er forderte ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Der Grünen-Abgeordnete Markus Tressel hatte dagegen Ramsauer kritisiert - dieser hätte schon vor Jahren aktiv werden können. So habe das Luftfahrt-Bundesamt in einem internen Papier bereits 2003 gewarnt, dass Ölrückstände in Triebwerken "zur gesundheitsschädlichen Verunreinigung der Kabinenluft" sowie zu "Vergiftungserscheinungen bei der Flugbesatzung" führen könnten. Zum neuen Vorfall sagte er SPIEGEL ONLINE: "Ramsauer muss jetzt liefern. Die Zeit für freiwillige Maßnahmen der Airlines und der Flugzeughersteller ist abgelaufen. Wir als Grüne werden das Thema in der nächsten Sitzungswoche auf die Agenda der zuständigen Ausschüsse setzen und die Bundesregierung zu ihrer künftigen Strategie befragen."

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