Gleichheitsgrundsatz verletzt Österreichs Verfassungsgericht kippt Kopftuchverbot an Grundschulen

Schülerin mit Kopftuch (Archivbild)
Foto: Frank Rumpenhorst/ picture alliance/dpaDas Kopftuchverbot an Grundschulen in Österreich ist vom Verfassungsgericht des Landes aufgehoben worden. Das Gesetz verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei damit verfassungswidrig, urteilten die Richter am Freitag. Es greife eine bestimmte Religion, den Islam, ohne nähere Begründung heraus, was dem Gebot der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates widerspreche. Das Kopftuchverbot galt seit Herbst 2019, nachdem das äußerst umstrittene Gesetz im Frühsommer von der rechtskonservativen ÖVP-FPÖ-Regierung beschlossen worden war.
Zwar beziehe sich das Verbot – »das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist« – nicht ausdrücklich auf das Tragen eines islamischen Kopftuches. In den Materialien zum Gesetz komme jedoch die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass konkret das Tragen eines islamischen Kopftuches untersagt werden solle, erklärte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Christoph Grabenwarter, am Freitag. »Es birgt das Risiko, muslimischen Mädchen den Zugang zur Bildung zu erschweren beziehungsweise sie gesellschaftlich auszugrenzen.«
Geklagt hatten zwei Kinder und deren Eltern, die darin einen Eingriff in Religionsfreiheit und religiöse Kindererziehung sahen. Außerdem fanden sie, der Gleichheitsgrundsatz werde verletzt, weil die jüdische Kippa oder die Patka der Sikhs im Gegensatz zum muslimischen Hidschab nicht verboten seien. In der Debatte geht es dabei lediglich um das Kopftuch – muslimische Verschleierungen etwa mit Burka oder Nikab fallen bereits seit 2017 unter ein Gesichtsverhüllungsverbot.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) begrüßte das Urteil. Damit solle nicht das verfrühte Tragen eines Kopftuchs bei Kindern oder elterlicher Zwang dazu verteidigt werden, betonte IGGÖ-Präsident Ümit Vural. »Weder heißen wir eine abwertende Haltung gegenüber Frauen gut, die sich aus persönlicher Überzeugung gegen das Kopftuch entscheiden, noch können wir der Einschränkung der Religionsfreiheit jener Musliminnen zustimmen, die das Kopftuch als integralen Bestandteil ihrer gelebten Glaubenspraxis verstehen.«
Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) kündigte an, sich mit den Argumenten des Gerichts auseinanderzusetzen. »Ich bedauere, dass Mädchen nicht die Möglichkeit haben werden, frei von Zwang ihren Weg durch das Bildungssystem zu gehen«, sagte der Minister.
Unterschiedliche Regelungen in deutschen Bundesländern
Die Problematik hat auch deutsche Gerichte immer wieder beschäftigt. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor drei Jahren ein pauschales Kopftuchverbot an Schulen gekippt und die Bedeutung der Religionsfreiheit betont. Seither hat jedes Bundesland unterschiedliche Regelungen entwickelt, wie mit muslimischen Lehrerinnen an Schulen umzugehen ist, die Kopftuch tragen.
Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht im August dieses Jahres das pauschale Kopftuchverbot für Lehrerinnen zurückgewiesen, das in Berlin galt. Eine muslimische Bewerberin, die nicht eingestellt worden war, sei wegen ihrer Religion diskriminiert worden. Ihr wurde eine Entschädigung zugesprochen.