One World Trade Center: Ein Wolkenkratzer als 9/11-Mahnmal
One World Trade Center
Auf der Spitze der Welt
One World Trade Center ist der höchste Wolkenkratzer der westlichen Hemisphäre. Zugleich ist der Neubau am New Yorker Ground Zero eine Erinnerung an die Opfer des Terroranschlags vom 11. September 2001. SPIEGEL ONLINE besichtigte das Mahnmal im Rohbau.
Selbst hier oben, 100 Stockwerke über Ground Zero, fängt einen die Vergangenheit schnell wieder ein. Beim Fernblick aus 381 Metern Höhe, der dem Besucher erst den Atem raubt - und dann, als sich die Erinnerung aufdrängt, das Herz für eine Schrecksekunde stillstehen lässt.
Denn dies ist der gleiche - der letzte - Blick, den die Menschen hier oben an jenem Morgen des 11. Septembers 2001 hatten. Gefangen über dem Feuer, das ihnen alle Fluchtwege abschnitt.
Die 658 Mitarbeiter der Finanzfirma Cantor Fitzgerald. Die 294 Angestellten des Versicherungsbrokers Marsh & McLennan. Die 164 Frühstücksgäste, Kellner und Köche von Windows on the World, des berühmten Restaurants auf der Spitze des World Trade Center.
Es ist der gleiche Fernblick, den bis dahin Millionen Touristen bestaunt hatten - und der nun, bald 13 Jahre später, erstmals wieder möglich wird.
Blick von der Spitze des Neubaus über Manhattan
Foto: SPIEGEL ONLINE
Manhattan in seiner ganzen Länge, zwischen East River und Hudson, überragt vom Empire State Building. Dahinter der Central Park, Harlem, die Wälder von Westchester. Auf der anderen Seite die Bucht mit der Freiheitsstatue, Ellis Island und der Verrazano Bridge, dem Tor zum Atlantik. Bei gutem Wetter reicht die Sicht mehr als 80 Kilometer weit.
Bei den Anschlägen des 11. September starben fast dreitausend Menschen, davon Hunderte eingesperrt in den obersten Etagen des World Trade Centers, das schließlich in glühendem Stahlschrott versank. Mit ihm ging auch dieser phantastische Blick verloren.
Anstelle der Twin Towers prägt nun das neue One World Trade Center die Skyline New Yorks. Im Rohbau fertig, aber noch nicht eröffnet, ist dieser bombensichere, fast 15 Milliarden Dollar teure Glasobelisk nicht nur der höchste Wolkenkratzer der westlichen Hemisphäre. Sondern auch ein Mahnmal für die 9/11-Opfer - von der Eingangslobby, deren weißer Marmor aus dem gleichen Steinbruch stammt wie der in der Lobby der alten Türme, bis ganz oben zur Spitze, 541 Meter über dem Erdboden.
One World Trade Center prägt die neue Skyline Manhattans
Foto: Andrew Burton/ AFP
Die Holzaufzüge rappeln und scheppern noch bedrohlich. Doch sie haben bereits das richtige Tempo - von 1 auf 102 in nur 60 Sekunden. Jede Etage klickt mit einem sanften Ton vorbei.
Oben begrüßt einen Rudy King von der Hafenbehörde Port Authority, der der Komplex gehört. Er ist stolz auf das, was sie hier geschaffen haben: "Dieses Gebäude steht auf dem Fundament einer schmerzlichen Vergangenheit."
Zwar vermeiden sie inzwischen die platte Symbolik der ersten, von Pannen, Skandalen und Verzögerungen geprägten Baujahre, als der Turm noch großkotzig Freedom Tower hieß. Daran erinnert nur noch die Höhe: 1776 Fuß, dank Antennenmast - analog zum Geburtsjahr der USA.
Im ganzen Bau bleibt die Erinnerung wach. Gekritzelt, gepinselt, gemalt: "Always remember 9/11", steht auf einer unverputzten Betonwand. Auf einer anderen sechs Namen: "Walter Hynes, Thomas Hetzel, Thomas Sabella, Dennis McHugh, Gregory Stajk" - Feuerwehrmänner, verschollen im Inferno.
Lower Manhattan vom anderen Ufer des Hudson River
Foto: EDUARDO MUNOZ/ REUTERS
Die Bauarbeiter haben die Stahlträger, Zwischenwände, Treppenhäuser und Aufzugschächte mit Graffiti versehen: "God bless America", "never forget", "freedom forever". Viele haben eine ganz persönliche Verbindung zu diesem Ort, haben damals selbst jemanden verloren und sehen ihren Job als symbolische Wiedergutmachung. Als "Schrein der Emotionen", wie Architekturkritiker Justin Davidson im "New York Magazine" schrieb.
Da finden sich Autogramme und Widmungen, namenlose Herzen und namentliche Nachrufe: "RIP Fanny Espinoza, 9-11-01." Die meisten Kritzeleien verschwanden wie geplant schnell hinter Rigips und Putz, während der Megabau unaufhaltsam emporkroch, eine Etage pro Woche.
Doch im 100. Stock sind sie weiter gut zu sehen. Hier erinnert selbst die rohe, nackte Architektur an die alten Zwillingstürme. Die hohen Fenster. Die Empore, auf der wieder Restaurantgäste sitzen werden. Die Rolltreppen zur Aussichtspromenade und den Souvenirshops.
Anfang 2015 soll hier oben das "One World Observatory" den Betrieb aufnehmen, auf den drei höchsten Etagen: 100, 101 und 102. Dann wird der Blick mit digitalen Tricks zum "Erlebnis" aufgemotzt, wie ein Themenpark der US-amerikanischen Widerstandskraft gegen den Terror. Der Pächter Legends - eine Gastronomiefirma, die bisher eher Erfahrung mit Sportstadien hatte - versichert, es werde eine "persönliche und denkwürdige Reise".
20 BilderOne World Trade Center: Ein Wolkenkratzer als 9/11-Mahnmal
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Statt der alten Twin Towers beherrscht jetzt One World Trade Center die Skyline Manhattans.
Foto: GARY HERSHORN/ REUTERS
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Im Rohbau fertig, aber noch nicht eröffnet, ist dieser bombensichere, fast 15 Milliarden Dollar teure Glasobelisk der höchste Wolkenkratzer der westlichen Hemisphäre.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Der weiße Marmor der Eingangslobby stammt aus dem gleichen Steinbruch wie jener in der Lobby der zerstörten Zwillingstürme.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Die Holzaufzüge sind noch provisorisch, haben aber bereits das richtige Tempo - 102 Etagen in nur 60 Sekunden.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Der Blick von der Spitze ist der gleiche, der sich auch vom alten World Trade Center bot.
Foto: Andrew Burton/ AFP
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Manhattan ist in seiner ganzen Länge zu überschauen.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Dahinter der Central Park, Harlem und die Wälder von Westchester.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Auf der anderen Seite der Hafen mit der Freiheitsstatue, Ellis Island und der Verrazano Bridge, dem Tor zum Atlantik.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Bei gutem Wetter reicht das Auge mehr als 80 Kilometer weit.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Anfang 2015 soll hier oben das "One World Observatory" den Betrieb aufnehmen, erneut mit einem Restaurant wie im einstigen WTC.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Bauarbeiter und Besucher haben die Stahlträger, Zwischenwände, Treppenhäuser und Aufzugschächte mit Graffiti versehen.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Auch zwei Mitglieder der Basketball-Truppe Harlem Globetrotters verewigten sich neulich...
Foto: SPIEGEL ONLINE
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... trotz obligatorischer Verbotsschilder.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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"Dieses Gebäude steht auf dem Fundament einer schmerzlichen Vergangenheit", sagt Rudy King von der Hafenbehörde Port Authority.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Die Treppenhäuser sind noch im Rohbau. Sie sind feuer- und wasserfest.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Auch die obersten Etagen erinnern an das alte WTC, mit einer Empore für Restaurantgäste und Rolltreppen zu den Souvenirships.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Viele der Bauarbeiter haben an 9/11 selbst jemanden verloren und sehen ihren Job als symbolische Wiedergutmachung.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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Die enorme Spitze wurde im Mai 2013 aufgesetzt und macht One World Trade Center zum höchsten Gebäude Amerikas.
Foto: AP/Port Authority New York and New Jersey
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11. September 2001: Zwei von al-Qaida-Terroristen entführte Jets krachen in die Zwillingstürme.
Foto: CARMEN TAYLOR/ AP
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Das Wahrzeichen versank, nun ist es in neuer Form wiederauferstanden.
Foto: DOUG KANTER/ AFP
11. September 2001: Zwei von al-Qaida-Terroristen entführte Jets krachen in die Zwillingstürme.
Foto: CARMEN TAYLOR/ AP
Blick von der Spitze des Neubaus über Manhattan
Foto: SPIEGEL ONLINE
One World Trade Center prägt die neue Skyline Manhattans