Optimismus und Selbstüberschätzung Wie viel Zuversicht ist zu viel?

Kann man wirklich alles schaffen?
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Dieser Text gehört zur Reihe "Bestseller von SPIEGEL+", er ist zuerst erschienen im SPIEGEL 1/2012.
Beim letzten Buch war es wirklich schlimm. Daniel Kahneman, Psychologe von Weltruf, fand sein Geschreibsel furchtbar. Mehrmals warf er alles weg, fing von vorn an, die Jahre vergingen, er kam nicht voran. "Ich konnte dieses Buch einfach nicht leiden", sagt er heute. "Ich glaubte, es würde meinen Ruf ruinieren."
Kahneman hätte es besser wissen können. Ein Leben lang hat er die Trugschlüsse der Urteilskraft erforscht. So gut wie kein anderer weiß er, welche Spiele die Einbildung mit dem Menschen treibt. Heute ist er über 80, er gilt als führender Experte auf diesem Gebiet, manchen sogar als der wichtigste Psychologe der Gegenwart. 2002 bekam er den Nobelpreis.
Und nun, vor dem verhexten Buch, konnte Kahneman sich selbst nicht mehr helfen. Am Ende sah er nur noch einen beispiellosen Ausweg. Er bat einen Freund, eine Jury zusammenzustellen. Vier Sachverständige lasen, für je 2000 Dollar Honorar, das Manuskript - anonym natürlich, sie sollten ihr Urteil schonungslos fällen: wegwerfen oder nicht?
Die Erstleser waren begeistert. Kahneman beugte sich der Übermacht; er schrieb das Werk zu Ende.
Und nun steht da, auf halber Strecke, der Satz: "Wenn Sie einen einzigen Wunsch frei haben für Ihre Kinder, ziehen Sie ernsthaft Optimismus in Betracht."
In dem Buch breitet Kahneman noch einmal sein Lebensthema aus: das Denken und die vielen Fallen, in die es tappt. Und meist ist dabei übersteigerte Zuversicht mit im Spiel. Doch so trügerisch sie sein mag, der Autor, ein Pessimist der Extraklasse, weiß durchaus um ihren unwiderstehlichen Zauber.
Wie die Gabe einer guten Fee bahnt der Optimismus den Erwählten den Weg durchs Leben. Ihnen gehört die Welt, da ist die Forschung sich ziemlich einig. Der Erfolg fliegt den Optimisten zu, sie haben mehr Freunde, sie leben länger - und das haben sie auch noch ehrlich verdient, denn sie kümmern sich in der Regel besser um ihre Gesundheit.
Pessimisten rechnen zwar stets mit dem Schlimmsten, tun aber wenig, es zu verhindern - es nützt ja ohnehin nichts. Optimisten dagegen nehmen brav ihre Pillen, essen fettarm und machen Gymnastik, wenn die Herzkranzgefäße zwicken.
Ungemach weckt ihren Kampfgeist. Das belegen Studien aus allen Lebenslagen. Forscher haben Aids-Patienten untersucht und Empfänger von Knochenmarkspenden, gebärende Frauen und Überlebende von Raketenangriffen. Der Befund war stets der gleiche: Optimistisch gestimmte Menschen werden besser und schneller mit Strapazen fertig.
Ihr Schutzpatron ist Gustav Gans, der Vetter von Donald Duck, dem sich alles zum Besten wendet. Und wenn es doch einmal schlecht aussieht, haben sie immer noch ihren Humor - wie jener Mann, der einem alten Witz zufolge vom Empire State Building springt und nach 50 Stockwerken ruft: "So weit, so gut!"
Optimisten sind, kein Wunder, allseits beliebt. Auch ihre Ehen funktionieren besser, selbst wenn der Partner mit einem weniger sonnigen Gemüt gesegnet ist. Und im Berufsleben rücken sie zügig auf in die höheren Sphären. Sie sind es, die überproportional unser Leben bestimmen: als Erfinder, Unternehmer, Politiker.
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