Bürgermeister von Pirmasens
»Die Entscheidung hat mich empört, enttäuscht und resigniert zurückgelassen«
Markus Zwick, 46, ließ die Läden in Pirmasens trotz hoher Infiziertenzahlen offen, die Landesregierung stoppte ihn. Hier erzählt der Bürgermeister, warum er den Inzidenzwert für überbewertet hält.
Fußgängerzone in Pirmasens: »Sagen wir mal so: Ich würde mir mehr Kommunikation wünschen«
Foto: Jan-Erik Nord
SPIEGEL: Herr Zwick, Sie kritisieren die Coronapolitik der Landesregierung in Rheinland-Pfalz heftig. Was stört Sie daran genau?
Markus Zwick: Mir ist das starre Klammern an die Inzidenzen zu einseitig gedacht. Das Robert Koch-Institut empfiehlt ja eine Reihe von Messgrößen, auf die man sich konzentrieren sollte. Ich würde Fragen wie ›Wie stark sind vulnerable Gruppen betroffen?‹ oder ›Sind die Infektionsherde klar eingrenzbar?‹ mehr Beachtung schenken.
SPIEGEL: Welche Rolle sollte Tests zukommen?
Zwick: Tests werden in den nächsten Monaten eine große Rolle zur Vermeidung von Infektionen spielen. Für mich ist aber auch das Verhältnis von Infektionszahlen zu der Zahl der Tests sehr wichtig, weil das die Infektionslage in der Stadt besser widerspiegelt. Wenn wir mehr testen, zählen wir auch mehr Neuinfektionen. So wie mit unserem zentralen Testcenter mit 500 Tests pro Woche. Auch deshalb haben wir hohe Inzidenzzahlen.
SPIEGEL: Anfang der Woche entschieden Sie, den Einzelhandel trotz hoher Inzidenz nicht zu schließen. Das Land hat Sie dann per Erlass gezwungen.
Zwick: Die Corona-Ausbrüche in Pirmasens betreffen im Schwerpunkt Kindertagesstätten, das Infektionsgeschehen ist gut eingrenzbar. Der Handel hatte nichts damit zu tun. Deshalb wollte ich die Läden nicht schließen. Die Entscheidung des Landes hat mich empört, enttäuscht und resigniert zurückgelassen. Der Einzelhandelsverband will nun gegen die Schließung klagen.
SPIEGEL: Im Saarland hat das Oberverwaltungsgericht in Saarlouis vor rund zwei Wochen einer Einzelhändlerin recht gegeben und die Terminpflicht beim Einkaufen gekippt.
Zwick: Ich denke, unsere Einzelhändler haben gute Chancen auf einen ähnlichen Ausgang.
SPIEGEL: Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen dem Land und Ihrer Stadt in der Pandemie denn sonst?
Zwick: Sagen wir mal so: Ich würde mir mehr Kommunikation wünschen. Ich habe das Gefühl, das Land will zwar kommunale Regelungen, die kommunale Situation wird am Ende aber nicht beachtet.
SPIEGEL: Wenn Bund und Länder neue Coronaregeln beschließen, müssen die Kommunen sie oft kurzfristig umsetzen. Wie war das bei Ihnen?
Zwick: Das ist regelmäßig eine super spontane Angelegenheit. Die Landesverordnung nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz im Februar haben wir am Freitagabend um 23:45 Uhr auf dem Tisch gehabt. Das war schon früher so. Einmal haben wir freitagabends eine Verordnung erhalten und sollten am Sonntag schon die Spielplätze öffnen.
SPIEGEL: Und, wie haben Sie das umgesetzt?
Zwick: Ich bin selbst hingegangen und habe die Absperrungen weggetragen.
SPIEGEL: Hadern Sie damit, dass das Land Sie mit Ihren Öffnungswünschen überstimmt hat?
Zwick: Ich bin Jurist, ich kann mit solchen streitigen Entscheidungen gut umgehen. Ich habe die Hoffnung, dass mein Vorstoß vielleicht für die Zukunft eine Wirkung hat, wenn er Pirmasens schon nicht helfen konnte.