Polizei-Affäre Hessischer Intrigantenstadl

Schwere Krise bei der hessischen Polizei: Deren bisheriger Präsident Norbert Nedela wurde sehr plötzlich entlassen. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer undurchsichtigen Affäre um offenbar manipulierte Akten.
Hessens Landespolizeipräsident Nedela: An der Pfeife knabbern

Hessens Landespolizeipräsident Nedela: An der Pfeife knabbern

Foto: dapd

Für die hessische CDU war Norbert Nedela früher immer eine sichere Bank. Ende der neunziger Jahre bewies der ehrgeizige Polizist enorme Hartnäckigkeit. Damals diente er als Vorermittler, der mit großem Eifer daran arbeitete, einen Frankfurter Polizeipräsidenten, einen Mann mit SPD-Parteibuch, in zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen unter Druck zu setzen.

Es ging damals im Grunde lediglich um die Frage, ob der Frankfurter Polizeichef gegen die Vorschrift gehandelt hatte, als er für seine regelmäßigen Ausritte ein Dienstpferd aus Wiesbaden benutzte, also von seiner ehemaligen Dienststelle.

Der eigentlich lächerliche Anlass sorgte für endlose Vernehmungen im Landtag, in denen das Bild des Polizeipräsidenten als abgehobener "Herrenreiter" gezeichnet wurde und sich auch der damalige SPD-Innenminister unangenehmen Fragen stellen musste.

Für seinen Einsatz belohnt

Nedela, der für die Ermittlungen viele Wochenenden geopfert und sogar seinen Urlaub verschoben hatte, wurde nach dem Regierungswechsel im Frühjahr 1999 für seinen Einsatz belohnt. Der neue CDU-Innenminister Volker Bouffier, der inzwischen zum hessischen Ministerpräsidenten aufgestiegen ist, ernannte Nedela erst zum Vize, dann zum Chef des Landeskriminalamtes.

2003 berief ihn Bouffier an die Spitze des neu geschaffenen Landespolizeipräsidiums: Damit war Nedela Hessens höchster Polizist. Wann immer der Minister öffentlich Erfolge zelebrierte, durfte der Oberlippenbartträger neben Bouffier sitzen, an seiner Pfeife knabbern und ein paar Zahlen erläutern oder Anekdoten zum Besten geben.

Allerdings waren seine Auftritte nicht immer glücklich. Als kürzlich etwa mehrere Polizisten Vorwürfe wegen Mobbings und Führens geheimer Personalakten mit fragwürdigen psychiatrischen Gutachten erhoben, äußerte sich Nedela widersprüchlich: Es gebe keine geheimen oder schwarzen Akten, sagte er - um dann zuzugeben, dass in einzelnen Fällen sehr wohl "Aktenbestandteile" den Betroffenen vorenthalten würden.

Auch polizeiintern war Nedela, der für den SPIEGEL bislang nicht zu erreichen war, sehr umstritten. Sein Führungsstil sei brachial und autoritär, kritisierten Untergebene. Nedela teile die Beamten in zwei klare Gruppen: "Für" oder "gegen" ihn. Wer in der zweiten Gruppe landete, habe im Polizeijargon schnell den virtuellen Stempel "EDK" bekommen - Ende der Karriere. Besonders schwierig, berichten Beamte, solle die Situation derer gewesen sein, die zunächst Nedelas Gunst besessen, diese dann aber wieder verloren hätten.

Eine, die am Ende zumindest nicht mehr unter dem schützenden Schirm Nedelas stand, war offensichtlich die Präsidentin des hessischen Landeskriminalamts, Sabine Thurau.

Verhältnis abgekühlt

Als die Juristin 2005 zunächst Vizechefin des Frankfurter Polizeipräsidiums wurde, galt sie noch als "Nedelianerin", als eine von Nedelas engen Vertrauten. Das Verhältnis zwischen beiden sei aber bald abgekühlt, berichten Insider: Thurau habe unter anderem Personalentscheidungen getroffen, die Nedela nicht gepasst hätten. Ein Teil der Frankfurter Polizisten beklagte zudem, die Neue fordere Beamte auf, Kollegen zu denunzieren. So ließ Thurau zum Beispiel gegen einen Fahnder ermitteln, der eine Dienstreise nach Brasilien für private Abstecher genutzt haben sollte. Der Beamte wurde zunächst vom Dienst suspendiert, später strafversetzt, bevor sich ein Großteil der Vorwürfe gegen ihn in Luft auflöste.

Dieser Fall entwickelte sich zum Politikum. Thurau hatte vor Gericht als Zeugin gegen den suspendierten Fahnder ausgesagt. Inzwischen ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen uneidlicher Falschaussage gegen die Polizeichefin. Dass sie vor Gericht die Unwahrheit gesagt habe, soll sich aus polizeiinternen Akten ergeben. Aber gerade über deren Echtheit bestehen inzwischen ernste Zweifel: Eine interne Ermittlungsgruppe, die eigentlich die Vorwürfe gegen Thurau prüfen sollte, steht im Verdacht, bei ihren Recherchen eine Datei nachträglich manipuliert zu haben. Dies war einem anderen Beamten beim Vergleich einer aktuellen Dateiversion mit einer alten Sicherungskopie aufgefallen. Nach Aussage dieses Beamten sollen Abläufe, Namen und Daten so geändert und teilweise gelöscht worden sein, so dass die LKA-Chefin belastet wurde.

Die Frage ist nun: Wer könnte solche Manipulationen veranlasst haben und wer hat sie eventuell gedeckt? Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete über polizeiinterne Spekulationen, Thurau könne Opfer einer "Verschwörung" und einer "inszenierten Verleumdungskampagne" geworden sein. Ein Beamter aus dem Innenministerium hält die Lage dagegen noch für "ziemlich undurchsichtig". Theoretisch denkbar sei auch ein unbeabsichtigter "Fehler" bei einem möglichen Versuch, Personen aus der Führung des Frankfurter Polizeipräsidiums mit frisierten Akten zu entlasten. Die Oppositionsparteien im Landtag wollen nun schnellstmöglich geklärt wissen, ob Nedela oder Leute aus seinem Umfeld für die Manipulationen mitverantwortlich sind oder von ihnen wussten.

Intrige oder Gegenintrige

Ob es nun eine Intrige oder eine Gegenintrige ist: Alleine die Tatsache, dass Staatsdiener bei Ermittlungen offenbar munter Akten fälschen oder zumindest anderen Beamten solche Fälschungen begründet unterstellen können, kratzt massiv am Image der hessischen Polizei - und damit an dem ihres Ex-Chefs.

Bouffiers Nachfolger im Amt des Innenministers, Boris Rhein, galt ohnehin nicht als großer Freund Nedelas. Der 38-jährige Rhein war vor seiner Ernennung zum Minister im Sommer als Staatssekretär im Innenministerium mehrfach mit dem Landespolizeipräsidenten aneinandergeraten, wie Ministeriumsinsider berichten. Der 59-jährige Präsident habe den Jüngeren mitunter "ziemlich von oben herab behandelt", heißt es.

Am Dienstagnachmittag zog Rhein die Konsequenz: Im Kabinett der Landesregierung beantragte er Nedelas vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen "unterschiedlicher Auffassungen über die Führung der Polizei". Am Mittwochvormittag präsentierte er schon Nedelas Nachfolger: Ingo Münch, bislang Inspekteur der hessischen Polizei. Der neue Mann, so betonte Rhein, sei "für seinen fairen und menschlichen Führungsstil bekannt".

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