Razzien in Norddeutschland Polizei und Zoll gehen gegen Kokain-Großdealer vor

SEK-Beamter (Symbolfoto)
Foto: Michael Schick / imago images/Michael SchickEs ist einer der größten Drogeneinsätze in der Hamburger Polizeigeschichte. Seit den frühen Morgenstunden gehen Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) und des Zollfahndungsamts (ZFA) gegen eine mutmaßliche Bande von Kokain-Importeuren vor. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchsuchen mehrere Hundert Ermittler rund 40 Objekte in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen. Rund 20 Haftbefehle sollten vollstreckt werden.
Zwei Tonnen Kokain
Nach SPIEGEL-Informationen richtet sich das Verfahren gegen ein großes kriminelles Netzwerk, das für die Einfuhr von insgesamt rund zwei Tonnen Kokain über den Seeweg verantwortlich sein soll. Bei ihren Geschäften sollen die Männer mit südamerikanischen Drogenkartellen zusammengearbeitet haben. Als Schlüsselfigur und Logistiker der Bande gilt ein 39-jähriger arbeitsloser IT-Spezialist.
Ashraf M. hatte nach SPIEGEL-Informationen vor Jahren eine Ausbildung bei einer Transportgesellschaft im Hamburger Hafen gemacht. Den Ermittlungen zufolge soll es dem Computerfachmann nun mithilfe seiner Insiderkenntnisse gelungen sein, sich in sensible Bereiche des IT-Netzes im Hafen zu hacken. Demnach soll Ashraf M. dafür gesorgt haben, dass ein mit Kokain beladener Schiffscontainer durch eine Manipulation des Systems aus dem Terminal geschafft werden konnte. Außerhalb des Geländes soll der Stoff dann von Komplizen heimlich entnommen worden sein.
Schießerei in Hamburg
Das verdeckt geführte Verfahren mit dem internen Codenamen »Leercontainer« lief rund ein Jahr. Teil der Ermittlungen ist eine Schießerei, die sich im April im Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek ereignete . Ein 28-Jähriger erlitt dabei einen Beindurchschuss. Auslöser sollen Streitigkeiten über die Verteilung des importierten Kokains gewesen sein.
Nach SPIEGEL-Informationen lieferten von der Polizei geknackte verschlüsselte Chatnachrichten entscheidende Hinweise. Seit Monaten werten Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden einen riesigen Datensatz aus. Dabei handelt es sich um Millionen Chatnachrichten von einem Server der Firma Encrochat. Das obskure Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden bot der Unterwelt über viele Jahre Verschlüsselungssoftware an, die für Ermittler lange nicht zu durchdringen war. Für einen Stückpreis von mehreren Tausend Euro verkaufte die Firma speziell präparierte Handys, die mit einem verschlüsselten Chatprogramm ausgestattet waren.
WhatsApp für Gangster
Kriminalisten bezeichneten den inzwischen eingestellten Dienst als »WhatsApp für Gangster«. Europaweit zählte die Firma rund 60.000 Kunden – darunter offenbar auch Beschuldigte aus dem Hamburger Verfahren. Im Frühjahr war es französischen Behörden gelungen, die Verschlüsselung von Encrochat zu umgehen. Beamte eines internationalen Ermittlerteams konnten anschließend für einige Monate den geheimen Chatverkehr Zehntausender Krimineller mitlesen. Bereits im Juli kam es dann in mehreren EU-Ländern zu den bislang größten Razzien gegen die organisierte Kriminalität in der jüngeren Geschichte.
Erst vor vier Wochen sprengten BKA-Ermittler in Norddeutschland eine mutmaßliche Bande, die für den Import großer Mengen Kokain verantwortlich gewesen sein soll. Auch bei diesem Verfahren, Codename »Festspiele«, halfen die Daten aus dem Encrochat-Material.