Die Krone kommt, es fehlt die Königin. Zur Eröffnung der neuen Sitzungsperiode des britischen Parlaments verliest die Queen traditionell eine Erklärung der aktuellen Regierung. Am Dienstag ließ sie sich dabei zum ersten Mal seit 59 Jahren vertreten – von ihrem Sohn Charles.
Charles, Prince of Wales:
»My Lords, bitte setzen Sie sich.«
Patricia Dreyer, DER SPIEGEL:
»Die Queen ist schon seit Längerem gesundheitlich nicht mehr so auf der Höhe, wie wir das von ihr gewohnt waren die letzten Jahrzehnte. Sie ist hochbetagt mit 96 und, wie es dann immer so schön heißt, in ihrer Mobilität eingeschränkt. Also sie ist einfach nicht mehr so gut zu Fuß.«
Patricia Dreyer beschäftigt sich für den SPIEGEL mit dem britischen Königshaus. An dessen Spitze steht seit siebzig Jahren Elisabeth II. Dieses Jahr ist Platin-Thronjubiläum – und wohl das Jahr, in dem sie immer mehr Aufgaben an ihren Sohn übergibt.
Patricia Dreyer, DER SPIEGEL:
»Man darf das nicht vergessen. Er ist ja nun wahrlich kein Neuling. Er ist Anfang 70. Er macht diesen Job seit Jahrzehnten. Das ist der Inhalt seines Lebens. Das ist das Ziel seines Lebens. Und es ist höchste Zeit, dass er jetzt tatsächlich auch diese großen, repräsentativen Aufgaben übernimmt, also nicht nur sich auf den Gebieten tummelt, auf denen er ja sowieso seit Jahren unterwegs ist, mit seiner eigenen Charity, mit seinen eigenen Organisationen und seinen eigenen Reisen. Sondern, dass er tatsächlich jetzt mehr in Erscheinung tritt als nächster König.«
Bei der Zeremonie zur Eröffnung des Parlaments kann dabei nicht viel schiefgehen. Das Protokoll gibt jeden Schritt vor. Die Rede schreibt die Regierung. Sie ist nicht mehr als eine Auflistung ihrer Vorhaben für das laufende Jahr.
Charles, Prince of Wales:
»Die Regierung Ihrer Majestät nimmt sich vor allem vor, die Wirtschaft zu stärken und die Lebenshaltungskosten für Familien zu senken. Die Regierung Ihrer Majestät wird in allen Teilen des Landes Jobangebote schaffen und mehr Menschen zu Beschäftigung verhelfen. Die Minister Ihrer Majestät werden weiterhin der Polizei helfen, die Straßen sicherer zu machen. Sie werden das Gesundheitssystem mit den nötigen Mitteln ausstatten, um die Auswirkungen von Corona im Rahmen zu halten.«
Um konkrete Streitfragen der Regierung von Boris Johnson ging es nur andeutungsweise. Aktuell steht etwa im Raum, dass das Vereinigte Königreich das sogenannte Nordirland-Protokoll aus dem Brexit-Vertrag aufkündigt. Darin ist geregelt, dass Grenzkontrollen nicht an der tatsächlichen EU-Außengrenze auf der irischen Insel stattfinden, sondern bereits auf See zwischen Großbritannien und Nordirland.
Charles, Prince of Wales:
»Die Regierung Ihrer Majestät wird weiterhin Möglichkeiten wahrnehmen, das Vereinigte Königreich von der Europäischen Union zu trennen, um das Wirtschaftswachstum zu fördern.«
Den britischen Monarchisten geht es bei der Parlamentseröffnung also weniger um Politik und mehr um den deutenden Blick aufs Königshaus: Wird die Queen im Jubiläumsjahr überhaupt noch einmal öffentlich zu sehen sein?
Patricia Dreyer, DER SPIEGEL:
»Sie sagt ja selbst immer: ›Man muss mich sehen, um zu glauben, dass ich wirklich real bin.‹ Und insofern wird sie schon präsent sein. Aber man wird versuchen, es ihr so einfach wie möglich zu machen. Keine langen Wegstrecken, nicht lange laufen, viel sitzen, alle Gefahrenquellen ausschalten. So wird das wahrscheinlich laufen.«
Die Krone geht – die Königin wohl noch nicht.