Radikale Abtreibungsgegner belagern in Frankfurt für 40 Tage eine Beratungsstelle für Schwangere

Dieser Beitrag wurde am 25.03.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Seit Wochen mahnt die Mutter Gottes im Frankfurter Westend vor einer Pro-Familia-Beratungsstelle. Konservative Christen halten ihr Konterfei auf Ketten, Schildern und Plakaten in die Luft, um möglichst viele Schwangerschafftsabbrüche zu verhindern. Der Verband Pro Familia bietet deutschlandweit die gesetzlich vorgeschriebene Beratung für Frauen an, die überlegen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.

Hinter der Mahnwache unter dem Namen "40 Tage für das Leben" in Frankfurt stecken radikale Abtreibungsgegner, die von ähnlichen Initiativen in den USA inspiriert und auch in anderen deutschen Städten präsent sind.
In Frankfurt gibt es die Aktion bereits seit mehreren Jahren, immer zur Fastenzeit und zeitweise auch im Herbst. Die Aktivisten singen und beten oft stundenlang, um für ihre Ansichten zu werben. Wie Recherchen der "Frankfurter Rundschau" ergaben , sind die Initiatoren jedoch nicht nur konservative Christen, sondern waren in der Vergangenheit teilweise offenbar auch in rechtsradikalen Kreisen aktiv.
Für Pro Familia bedeutet der lautstarke Protest, dass die tägliche Arbeit in der Beratungsstelle massiv beeinträchtigt wird. In den Räumen werden Paare und werdende Eltern beraten – und eben Frauen, die überlegen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.
Wir haben mit Brigitte Ott, Landesgeschäftsführerin von Pro Familia in Hessen, über die Mahnwache der Abtreibungsgegner gesprochen und sie gefragt, wie Hilfe suchende Frauen vor Ort mit der Situation umgehen.
Frau Ott, wie erleben Sie derzeit die Situation vor Ihrer Beratungsstelle?
Die Kundgebungen finden auch in diesem Jahr über die Fastenzeit – also seit dem 6. März und bis Ostern – jeden Tag statt. Wir hören die Gebete und Gesänge oft den ganzen Tag über bis in unsere Beratungsräume. Das belastet nicht nur die Paare und Frauen, die zu uns kommen, sondern auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Mit dem Lärm, den Gebeten und den Plakaten vor dem Haus wird ein großer Druck auf Ratsuchende aufgebaut. Die Möglichkeit einer anonymen Beratung, wie sie das Schwangerschaftskonfliktgesetz vorsieht, ist so kaum noch gegeben.
Wie reagieren Ihre Besucherinnen auf die Mahnwachen?
Die Reaktionen reichen von Irritation und Verwunderung bis hin zu Angst und Scham. Viele Frauen fühlen sich belästigt oder abgewertet.
Brigitte Ott
Das erschwert unsere Beratungstätigkeit natürlich. Wir versuchen
deshalb die Beratungen, soweit es geht, auf andere Zeiten und Außenstellen zu
verlegen. Das sind aber nur Notlösungen, die viel Energie kosten.
Wie wehren Sie sich dagegen?
Im vergangenen Jahr gab es tägliche Mahnwachen und Gegenproteste. Das kann dauerhaft keine Lösung sein. Es gibt inzwischen das überparteiliche Bündnis "Frankfurt für Frauen*rechte".
Wir versuchen, die Diskussion über die Rechte von Frauen voranzutreiben und in die Stadt zu bringen. Wir hatten vor Kurzem eine Podiumsdiskussion und planen am 12. April einen Flashmob in der Innenstadt, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Die Organisatoren der Mahnwache sagen, es gehe ihnen um den "Schutz des ungeborenen Lebens". Was sagen Sie dazu?
Wir vertreten hier keine Meinung, wir erfüllen eine gesetzliche Aufgabe. Der Staat hat die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen mit der Unterstützung von Schwangeren und Familien und dem Schutz des ungeborenen Lebens beauftragt.
Das entsprechende Gesetz garantiert den Zugang zu Informationen und Beratung für alle Menschen. Außerdem schreibt es zum Schutz des ungeborenen Lebens eine unverzügliche und ergebnisoffene Beratung vor, die vertraulich und auf Wunsch anonym zu erfolgen hat. Das ist die Aufgabe, die wir in unseren Beratungsstellen erfüllen und die wir auch sehr ernst nehmen.
Was heißt das in der aktuellen Diskussion konkret?
Durch die Proteste wird unsere Arbeit massiv eingeschränkt.
Brigitte Ott
Um so mehr freut es uns, dass es so breite
Unterstützung für unsere Arbeit gibt. Inzwischen haben sich viele Menschen
solidarisch erklärt, das ist uns sehr wichtig.
Wie hat sich die Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche in den vergangenen Jahren und Monaten aus Ihrer Sicht verändert?
Das Thema ist wieder mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Die Lebensschutz-Bewegung, um die es dabei geht, gibt es aber schon viel länger. Aber egal, wie man das Thema sieht, sollte nicht vergessen werden, in welchen schwierigen Situationen die Betroffenen oft sind. Denn die Gründe, aus denen Frauen und Paare einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, sind vielschichtig – meist geht es hier um mehrere Probleme.
Gerade deshalb müssen sie sich auf eine professionelle und vertrauliche Beratung verlassen können. Nur so können die Frauen eine verantwortliche Entscheidung treffen, mit der sie auch selbst gut leben können.
Mittlerweile fordern Politiker verschiedener Parteien eine 150 Meter breite Schutzzone um Beratungsstellen. Wie beurteilen Sie diese Forderung?
Wir finden das absolut richtig. Ein so sensibler Ort sollte keine Plattform für öffentliche Auseinandersetzungen sein, deshalb braucht es Schutz. In anderen Ländern gibt es das bereits, die Stadträte in den hessischen Städten Frankfurt, Gießen und Darmstadt haben sich dafür ausgesprochen. Auch die Landesregierung hat eine Prüfung versprochen. Jetzt müssen Taten folgen.
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