Teherans Einfluss auf Deutschland "Schiebt den Imam ab!"

Es ist eine kleine Gruppe, die sich auf der Wiese an der Außenalster in Hamburg versammelt hat. Ein paar Dutzend Demonstranten, die Mehrheit von ihnen Exiliraner, und sie sind laut. Sie protestieren dagegen, dass die Besucher der Imam-Ali-Moschee auch am heutigen Abend wieder des getöteten iranischen Topgenerals Qasem Soleimani gedenken wollen.
Auch die türkeistämmige Autorin und Islamkritikerin Necla Kelek ist unter den Demonstranten. "Mullahs müssen weg", skandieren sie und richten die ausgestreckten Arme mit bunten Knicklichtern in den Händen in Richtung des schiitischen Gotteshauses.
"Die Ehrung in der Moschee ist eine Ausnutzung religiöser Gefühle", sagt Hamid Bajat, 55. Er habe die Nachricht vom Tode Soleimanis durch einen Anruf von Freunden in Iran bekommen. "Die waren am Feiern", sagt er. Ein anderer Demonstrant schimpft, Soleimani sei einer der größten Terroristen der Welt gewesen. Selbst in westlichen Medien komme der Kommandeur noch zu gut weg.
"Viele Gemeindemitglieder in Trauer"
Die Wut der Protestierenden ist groß. Nicht nur auf jene, die in Soleimani einen Helden sehen, sondern auch auf den rot-grünen Senat, der nach wie vor auf einen Dialog mit dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) setzt, dem Träger der Imam-Ali-Moschee. Union, FDP und AfD in der Bürgerschaft fordern schon lange, den Staatsvertrag mit den Muslimen zu kündigen.
Seit 2013 kooperiert die Stadt in diesem Rahmen mit dem Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura), dem Verband der Islamischen Kulturzentren und dem Moscheeverband Ditib, der eng mit dem türkischen Staatsapparat verflochten ist. Das iranische IZH ist Mitglied in der Schura und stellt dort sogar einen der Vorsitzenden. Im Abkommen zwischen der Stadt und den islamischen Verbänden sind unter anderem gemeinsame Werte festgeschrieben und die Grundsätze für den gemischtkonfessionellen Religionsunterricht geregelt.
Die offene Huldigung für Soleimani, den die USA Ende vergangener Woche gezielt mithilfe einer Drohne getötet hatten, gibt der Debatte um den richtigen Umgang mit dem politischen Islam in Deutschland neuen Zündstoff.
Der Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden habe "eine Spur von Blut und Gewalt durch den Nahen und Mittleren Osten gezogen", sagte SPD-Außenminister Heiko Maas in der "Bild am Sonntag", und habe "nicht umsonst" auch auf der Terrorliste der EU gestanden. Trotzdem hatte die Imam-Ali-Moschee an der Alster schon am vergangenen Sonntag "eine Gedenkveranstaltung zu Ehren Soleimanis und der neun weiteren Opfer" abgehalten.
Für Donnerstag sei keine weitere Trauerfeier geplant; es gebe lediglich eine Predigt "zum Martyrium von Fatima Zarah", der Tochter des Propheten Mohammed, heißt es beim IZH. Es seien "aber natürlich nach wie vor viele Gemeindemitglieder in Trauer" und wollten ihres Helden gedenken. Man huldige einem Märtyrer, "der sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um gegen Extremismus zu kämpfen und dadurch die Welt, also auch Deutschland, zu einem sichereren Ort zu machen", sagt ein Vertreter der Moschee.
Über die Definition von Terrorismus gebe es eben geteilte Meinungen. Aus der Sicht vieler Muslime habe Soleimani erfolgreich gegen die Terrormilizen des "Islamischen Staats" gekämpft. Die USA mit ihrem erneuten Bruch des Völkerrechts hätten in der Region dagegen leider nichts als Chaos gestiftet.
Überraschend ist diese Sichtweise nicht. Der Leiter des IZH ist traditionell ein Anhänger der iranischen Staatsdoktrin und islamischen Revolutionsziele. Seit 2018 sitzt Imam Mohammad Hadi Mofatteh dem schiitischen Zentrum vor, "ein vielfältig geschulter Vertreter des gegenwärtigen Regimes im Iran", wie es im aktuellen Bericht der Hamburger Verfassungsschützer heißt. Diese beobachten das IZH schon lange. Mofattehs Familie sei "fest in die staatlich-religiöse Elite des Iran eingebunden", schreiben sie.
SPD und Grünen geht die Kündigung des Staatsvertrags zu weit
Seit Jahren beteiligten sich IZH-Besucher und -Funktionäre an israelfeindlichen Demonstrationen in Berlin. Mofatteh und seine Vorgänger hätten bundesweit ein Kontaktnetz aufgebaut, um auf Schiiten unterschiedlicher Nationalität Einfluss zu nehmen, "bis hin zur vollkommenen Kontrolle".
Experten wie Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, raten dem Hamburger Senat deshalb dringend, den Vertrag mit der Schura zu kündigen. "Es kann nicht sein, dass diese Leute staatlichen Religionsunterricht mitorganisieren und Einfluss im pädagogischen Bereich haben", sagt sie. "Dadurch wird deren Islam immer sichtbarer. Das ist ein denkbar schlechtes Signal für säkulare und integrierte Muslime und auch für die deutsche Öffentlichkeit insgesamt."
Die Forderungen von Hourvash Pourkian, Organisatorin der Proteste vor der Imam-Ali-Moschee, sind noch weitreichender. Wenn es nach der Hamburgerin mit iranischen Wurzeln ginge, würde die Moschee geschlossen und zu einer Begegnungsstätte umfunktioniert. Außerdem: "Schiebt den Imam ab!", sagt sie. Der iranische Staat habe durch Mofatteh zu viel Einfluss in Deutschland. "Der Hamburger Senat muss endlich aufhören, diese Extremisten zu tolerieren."
Bisher bleiben die Appelle allerdings ungehört. SPD und Grünen geht selbst die Kündigung des Staatsvertrags mit der Schura zu weit. Man lehne eine solche Gedenkfeier, wie es sie in der Imam-Ali-Moschee gegeben habe, zwar ab und erwarte, "dass auch alle Angehörigen des islamischen Glaubens in Deutschland unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung anerkennen", sagt ein Senatssprecher. Die Entwicklung in dieser Hinsicht werde man weiterhin "aufmerksam verfolgen". Der Vertrag biete aber auch "wichtige Chancen für die Fortentwicklung des Verhältnisses zwischen der Stadt und den islamischen Gemeinschaften und für die bessere Integration der muslimischen Gläubigen insgesamt."