"Last Christmas" in Dauerschleife "Ich zog den alten George dann doch vor"

In Baden-Württemberg hat sich ein Radiomoderator im Studio eingeschlossen und nur noch "Last Christmas" gespielt - 14-mal lief der Ohrwurm hintereinander. Seine Kollegin hämmerte unterdessen von außen gegen die Scheibe. Im Interview erzählt Oliver Bolz, was hinter der Aktion steckt.
Hier 1985 auf der Bühne: George Michael and Andrew Ridgeley bildeten die Gruppe WHAM

Hier 1985 auf der Bühne: George Michael and Andrew Ridgeley bildeten die Gruppe WHAM

Foto: Corbis

Hamburg - Der private Radiosender Baden.fm wirbt damit, den besten Musikmix aus vier Jahrzehnten zu spielen. Am Donnerstagmorgen haben sie es im Sender aber nicht allzu genau damit genommen. Denn von 7 Uhr bis kurz vor halb neun bestand der Mix aus einem einzigen Lied in der Dauerschleife: "Last Christmas" von Wham, 14-mal hintereinander! Ausgerechnet "Last Christmas" - der Song, der jedes Jahr zu Weihnachten aus der Versenkung geholt wird. Der Song, den man entweder liebt oder nicht mehr hören will. Am besten nie wieder.

Um 6.54 Uhr wurde "Last Christmas" planmäßig zum ersten Mal gespielt. Was dann passierte, wird vom Sender folgendermaßen beschrieben: Morning-Show-Moderator Oli Bolz, 37, wollte den Song gleich noch einmal bringen. Seine Kollegin Julica Goldschmidt verließ daraufhin aus Protest das Studio. Bolz nutzte die Gunst der Stunde, verbarrikadierte die Tür mit Drehstühlen und spielte immer wieder das Lied, das George Michael 1984 der Welt geschenkt hatte.

SPIEGEL ONLINE: Herr Bolz, was haben Sie bloß getan?

Oliver Bolz: Die ganze Welt ist in Weltuntergangsstimmung, daraus wird eine wahnsinnige Publicity gemacht. Wir haben uns gedacht, ich habe mir gedacht, nutz doch die Gelegenheit, falls die Maya recht bekommen, wenigstens ein bisschen Weihnachten zu feiern. Und warum nicht mit dem Lied Nummer eins, das seit 28 Jahren die Charts jedes Jahr aufs Neue stürmt. Deshalb habe ich meine Kollegin ausgesperrt. Und es ist eingeschlagen, denke ich mal.

SPIEGEL ONLINE: Warum ausgerechnet dieses Lied? Das kann doch keiner mehr hören.

Bolz: Ich kenne die genaue Statistik nicht. Aber ich denke mal, es gibt auch viele Menschen, die dieses Lied lieben. Wir haben eine Wahnsinnsresonanz auf Facebook bekommen. Da gab es auch Kommentare wie: "Ja, am besten 24 Stunden lang." Ich hätte gerne diesen Wunsch erfüllt. Wäre ich um 20 nach acht nicht aus dem Studio geflogen.

Trotz der Blockade lief das Angebot des Senders - unter vermeintlich erschwerten Bedingungen - wie geplant weiter. Zwischen den Einspielern lief Werbung. Bolz gab Verkehrsinfos durch, schaltete Anrufer in die Sendung und verlas Zuschriften. Damit die Hörer auch mitbekamen, wie die ausgesperrte Moderatorin Julica Goldschmidt gegen die Studioscheibe hämmerte ("Oli, jetzt hör mal auf mit dem Scheiß"), drehte er extra die Regler herunter. Als die Nachrichten anstanden, wurde der Sprecher per Telefon ins Studio geschaltet. Und dann drückte Bolz wieder auf Play.

SPIEGEL ONLINE: Sagt Ihnen der Name Oliver Pscherer etwas?

Bolz: Nein, sagt mir nichts.

SPIEGEL ONLINE: Das ist ein Kollege von Ihnen. Der hat sich vor 13 Jahren mal in einem Hamburger Studio verschanzt und stundenlang nur "Dancing Queen" und "No Milk Today" gespielt.

Bolz: "No Milk Today"! Ach, die Nummer! Das ist ein Klassiker. Spielen wir leider nicht, obwohl es ein wahnsinniger Song ist. Aber gerade zum Weltuntergang, wenn es wirklich das letzte Weihnachten sein könnte, musste es unbedingt "Last Christmas" sein. Ich hätte natürlich auch "My Heart Will Go On" von Celine Dion spielen können. Aber ich zog den alten George dann doch vor.

Im Fall von Oliver Pscherer gibt es einige Indizien dafür, dass es sich nicht um eine spontane Protestaktion, sondern um einen PR-Gag handelte - was er bis heute bestreitet. Auch im Fall des "Last Christmas"-Marathons deutet alles auf eine Aktion des Senders hin. Um 8.20 Uhr wurde der Programmchef ins Studio durchgeschaltet. Der klang eigentlich ganz nett: "Oli, kommst du mal kurz zu mir hoch, bitte?" Dann drang Co-Moderatorin Julica wieder ins Studio ein ("Sach mal, bist du bescheuert? Tür kaputt, Hörer weg, Chef sauer.") Bolz fügte sich, aber er hatte noch ein Vermächtnis: "Oh, tschuldigung, ich bin hier an den Next-Knopf gekommen". Und dann ging's noch einmal von vorne los.

SPIEGEL ONLINE: Wie ist denn die Stimmung im Sender seit Ihrer Aktion?

Bolz: Julica und ich machen die Morning-Show jetzt seit knapp vier Jahren zusammen. Da geht man durch Höhen und Tiefen. Wir haben uns aber mittlerweile wieder lieb.

SPIEGEL ONLINE: Handelte es sich nicht doch um einen PR-Gag?

Bolz: Dazu kann ich keine Stellung beziehen. Alles für die Hörer. Alles für den Club.

SPIEGEL ONLINE: Es klingt schon sehr nach einer lustigen Aktion des Senders.

Bolz: Ja, kann sein. Ich stehe zu unseren Hörern. Wir haben uns alle wieder lieb. Und die Hörer uns auch. Selbst die Kritiker des Songs waren begeistert, dass ich mich durchgesetzt habe.

Die Fragen stellte Hendrik Ternieden

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