Rechtsradikale Frauen Die Mär vom Nazi-Betthäschen

Stumm, verlässlich, arglos - so lauten die Klischees über Beate Zschäpes Rolle in der Zwickauer Terrorzelle. Doch war sie tatsächlich nur eine willfährige Nazi-Braut? Eine dienstbare Killer-Servicefrau? Sehr unwahrscheinlich, sagen Rechtsextremismus-Experten.
Beate Zschäpe: "Ohne sie hätten Mundlos und Böhnhardt es nie geschafft"

Beate Zschäpe: "Ohne sie hätten Mundlos und Böhnhardt es nie geschafft"

Foto: dapd/ Ostthüringer Zeitung

Sie nannte sich Susanne, Manuela oder Susi. Sie liebte Katzen, war nett zur Bäckersfrau und grüßte freundlich. Beate Zschäpe trug keine Nazi-Kluft, sie liebte Schwarz und Rot, vielleicht auch Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die Männer, mit denen sie zusammenlebte, bevor beide sich eine Kugel in den Kopf schossen.

Da war Zschäpe plötzlich Nachlassverwalterin einer Terrorzelle. Sie räumte gründlich auf: Zündete die gemeinsame Wohnung an, um Spuren zu verwischen. Suchte stundenlang nach einem Anwalt - und stellte sich dann der Polizei.

Als Jugendliche soll Zschäpe viel geklaut haben, berichtete die "tageszeitung" (taz). Ihre Eltern hatten sich getrennt, die Mutter zog Beate allein auf. Sie absolvierte eine Gärtnerlehre, fand keine Arbeit, schloss sich in den Neunzigern dem militanten rechtsradikalen "Thüringer Heimatschutz" an. Fleißig und stetig soll sie politische Versammlungen besucht, sich aber nie zu Wort gemeldet haben, berichten Gesinnungsgenossen.

Bei Gelegenheit sei die linientreue Aktivistin auch mal grob geworden, heißt es nach der Festnahme. Zschäpe soll für ihre heftigen Übergriffe vor allem auf Frauen berüchtigt gewesen sein, einer Kontrahentin soll sie einen Arm gebrochen haben.

"Killer-Luder oder Killer-Servicefrau?"

"Es ist lächerlich zu glauben, Beate Zschäpe habe aus reinem Mitläufertum oder gar Liebe 13 Jahre im Untergrund verbracht. Das erfordert eine feste Gesinnung und eisernen Durchhaltewillen", sagt Michaela Köttig von der Fachhochschule Frankfurt am Main. "Sie ist eindeutig eine politische Aktivistin und hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit Kontakte zum Verfassungsschutz."

Köttig arbeitet unter anderem für das Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus, das in einem offenen Brief  die Berichterstattung in Sachen Beate Zschäpe scharf kritisierte.

So spekulierte "Bild"-Chef-Poet Franz Josef Wagner am Dienstag darüber, welche Rolle die 36-Jährige wohl gespielt habe: "Killer-Luder oder Killer-Servicefrau, Geschirr spülen, das Versteck im Untergrund sauber halten?" Seine scharfsinnige Analyse: "Entweder sind Sie eine bösartige Kriminelle oder eine tief verzweifelte Frau, die lieber mit Mördern lebt, als einsam zu sein."

Man sei empört darüber, dass rechtsradikale Frauen noch immer als unpolitisch und unreflektiert beschrieben würden, die Presse dem Klischee des "friedfertigen Geschlechts" huldige, das die Rolle des "sexualisierten Anhängsels" erfülle.


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Artikel über die Dreiecksbeziehung zwischen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt dienten eher der Verharmlosung als der Aufklärung, bemängelt Köttig. Unter anderem gab es Berichte über Beziehungen der Frau zu verschiedenen Nazi-Funktionären in den neunziger Jahren. Ein angeblicher Aussteiger sagte der "Bild"-Zeitung, Zschäpe sei "ein heißer Feger" gewesen, nicht angriffslustig im Auftreten, aber mit "aggressiven Ansichten": "Ich war selber dabei, als Zschäpe sich mit führenden Mitgliedern der Partei getroffen hat", sagte die Quelle dem Blatt. Man habe sich zu langen Gesprächen zurückgezogen. Ein Verbandsvorsitzender der NPD habe ihm später verraten, dass in Köln bald "eine große Sache" steigen werde.

Kurz darauf, im Juli 2004, wurden bei einem Anschlag in der Keupstraße 22 Menschen verletzt, die meisten von ihnen türkischer Herkunft. Die Zwickauer Zelle, der "Nationalsozialistische Untergrund", bekannte sich in einem Film zu dieser Tat .

Kein Zweifel an Zschäpes Gesinnung

"Zschäpe wollte unter den Frauen der Jenaer Kameradschaftsszene die Nummer eins werden", glaubt Andreas Speit, Journalist und Mitautor von "Mädelsache", einem Buch über rechtsextremistische Frauen. Zwar sei die 36-Jährige nicht die erste Frau innerhalb einer militanten rechten Tätergruppe in Deutschland. "Allerdings sprengt die Dimension der Taten alles bisher Dagewesene", so Speit. Mindestens zehn Morde, zahlreiche Körperverletzungen und 14 Banküberfälle werden mit der Zelle in Verbindung gebracht - so die Bilanz bisher: "Es gibt keinen Zweifel an ihrer Gesinnung".

Rena Kenzo vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus sagt, Zschäpe sei alles andere als "das Betthäschen zweier Nazis" gewesen: "Ohne sie hätten Mundlos und Böhnhardt es nie geschafft, über so viele Jahre unentdeckt unterzutauchen. Sie war das Bindeglied in die bürgerliche Gesellschaft."

Und Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende der SPD Leipzig und Sprecherin der Arbeitsgruppe Strategien gegen Rechtsextremismus, sagt: "Ich würde mir wünschen, dass sie auspackt, das könnte Licht ins Dunkel bringen". Es gebe Hinweise von Aussteigern, dass bereits in den Neunzigern gerade in den neuen Ländern unter Rechten über eine mögliche Untergrundtätigkeit diskutiert worden sei. "Seit ich Mitglied im Bundestag bin, wurde im Innenausschuss immer die Frage gestellt, ob es eine Radikalisierung gebe und Leute abtauchen würden. Der Verfassungsschutz hat dies aber stets verneint."

Generalbundesanwalt Harald Range erklärte, es gebe keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit der Zwickauer Zelle mit dem Verfassungsschutz. Auch der umstrittene ehemalige Thüringer Verfassungsschutz-Chef Helmut Roewer hatte dies in Interviews stets bestritten. Dennoch kursieren weiter Gerüchte über Kontakte Zschäpes zu den Diensten. Es sei offensichtlich, dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Ämtern nicht funktioniert habe, sagt Kolbe: "Da wusste keiner, wer wen als V-Mann führt."

"Unsere Männer brauchen uns!"

Unbestritten scheint, dass Verfassungsschutz und Polizei ihr Augenmerk in der Regel auf die männlichen Akteure in der Neonazi-Szene lenken und die Frauen vernachlässigen - offenbar weil sie unterstellen, dass diese keine führende Rolle spielen. "Frauen werden bei Straftaten in erster Linie als Unbeteiligte oder Zeuginnen wahrgenommen, nicht als Täterinnen", sagt Forscherin Köttig.

Dabei sei in den vergangenen Jahren nicht nur die Zahl der in rechtsradikalen Organisationen engagierten Frauen gestiegen, sondern auch ihre Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen: "Viele haben die Nase voll von saufenden und palavernden Männern, sie wollen sich einbringen, strategisch arbeiten."

Dem Forschungsnetzwerk zufolge gab es seit 1945 in keinem anderen Land so viele rechtsextreme Frauenorganisationen wie in Deutschland. Die "Düütschen Deerns", eine Neonazi-Frauengruppe aus Norddeutschland, tönt auf ihrer Website: "Unser Volk ist so lange nicht erobert, so lange die Herzen seiner Frauen stark sind."

Nach der Selbstauflösung des "Skingirl-Freundeskreises Deutschland" (SFD) im Jahr 2000 entstand zunächst die "Gemeinschaft Deutscher Frauen" (GDF), einer der einflussreichsten Zusammenschlüsse. Im September 2006 wurde der "Ring Nationaler Frauen" (RNF) als Unterorganisation der NPD gegründet.

Beim "Mädelring Thüringen" (MRT) heißt es auf der Website: Gerade in Thüringen sei es um die weiblichen Aktivisten "nicht gerade gut bestellt", die meisten seien nur "Anhängsel ihrer Männer, ohne eigene Meinung und selbständiges Handeln", dieser Misstand müsse beseitigt werden. "Unsere Männer brauchen uns (…)! Wir müssen jetzt die Initiative ergreifen, uns bilden, organisieren und damit ein fester Bestandteil unserer Bewegung werden."

"Die Rechte in Thüringen ist besonders straff organisiert", sagt Köttig. Die einzelnen Gruppen seien besser vernetzt als anderswo. Es herrschten eine strenge Kleiderordnung, feste Rituale sowie große Geheimhaltung - und ein gnadenloser Umgang mit Aussteigern. "Die meisten Frauen, zu denen ich Kontakt hatte, waren für einen Sinneswandel nicht mehr zugänglich. Unerreichbar für jede noch so logische Argumentation."

Längst dienten die hiesigen Frauengruppen Rechtsextremistinnen weltweit als Vorbild, heißt es beim Forschungsnetzwerk - auch wenn sie der deutsche Verfassungsschutz teilweise erst Jahre nach ihrer Gründung überhaupt in seinen Berichten erwähnt habe. Dabei bekleiden rechtsextreme Frauen längst auch Schlüsselfunktionen außerhalb ihrer Organisationen.

"Die Zielsetzung rechtsradikaler Terroristen ist eine völlig andere als zum Beispiel bei der RAF", erklärt Michaela Köttig. Man habe kein Interesse an Öffentlichkeit und seitenlangen Bekennerschreiben: "Neonazis wollen in den Ausländergemeinden Angst und Schrecken verbreiten. Es ist eine einfache Strategie - und leider funktioniert sie."

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