Rekorddürre in China Millionen ohne Wasser
Peking - Seit über 600 Tagen hat es im Zentrum der Autonomen Region Ningxia im Nordwesten Chinas nicht mehr geregnet. Hier, in der Heimat der muslimischen Hui-Minderheit, zerbröselt die Erde. Tausende von Brunnen sind bereits versiegt oder werden bald kein Wasser mehr spenden. Für teures Geld wird das Wasser aus anderen Regionen herbeigeschafft werden.
Hiobsbotschaften aus dem Kernland Chinas: Nicht nur Ningxia, sondern auch Teile der Provinzen Yunnan, Gansu, Hebei und Innere Mongolei stöhnen unter der extremen Trockenheit. Vielerorts bleiben die Ernten aus. Die ohnehin bitterarmen Bauern dieser Region leiden schwer an der Dürre. Schon können sich Familien in abgelegenen Gebieten nicht mehr drei, sondern nur noch zwei Mahlzeiten am Tag leisten.
Auch Peking erlebt die schlimmste Dürre seit 50 Jahren. In den letzten sieben Jahren hat es zu wenig geregnet. Seit Januar fielen nur 17 Millimeter Niederschlag - weit weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der Wasserspiegel des für die Hauptstadt extrem wichtigen Miyun-Wasserreservoirs ist inzwischen dramatisch gefallen. Nur noch 65 Millionen Kubikmeter Wasser schwappen in dem Stausee. Im Mai vorigen Jahres waren es knapp 86 Millionen. Zudem ist der Grundwasserspiegel enorm gesunken. Pekings Politiker streiten sich permanent mit ihren Genossen aus den umliegenden Städten und Landkreisen - darunter der Hafenmetropole Tianjin - darüber, wer wie viel Wasser aus welchen Quellen abzapfen darf.
Große Gebiete Chinas mit seinen 1,3 Milliarden Menschen zählen traditionell zu den trockensten der Erde. "Wasserknappheit und Dürren sind eine grundlegende Charaktereigenschaft Chinas", sagt der Minister für Wasserressourcen, Wang Shuchen.
Mittlerweile aber hat die Wasserarmut dramatische Ausmaße erreicht: Mehr als 300 Städte, vor allem im Norden des Landes, leiden unter dem Mangel. Nach Angaben der Regierung ist die Trinkwasserversorgung für 14 Millionen Menschen gefährdet. Die Bevölkerung wächst, doch viele der vorhandenen Quellen können nicht mehr genutzt werden, da sie zu stark verschmutzt sind. Dazu kommen die Erosion der Böden, weil die Wälder zu stark abgeholzt wurden, und ein verschwenderischer Umgang mit dem kostbaren Nass. "Die Lage ist ziemlich ernst", warnt Minister Wang.
KP verordnet sparsamen Wasserverbrauch
Jedes Jahr verschwinden zahlreiche Reservoirs, weil die Fabriken und die wachsenden Städte zu viel Wasser abpumpen. Allein in der zentralen Provinz Hubei, die Dichter einst als "Tausend-Seen-Landschaft" besangen, trockneten in den vergangenen Jahrzehnten 815 Seen aus. Der Dongting-See in der Nachbarprovinz Hunan schrumpfte seit 1949 um 2350 Quadratkilometer.
Die Wassernot dürfte 2030, wenn 1,6 Milliarden Menschen in China leben werden, ihren Höhepunkt erreichen. Weil Fabriken ihre Produktion herunterfahren oder zeitweise ganz stoppen müssen, beträgt der wirtschaftliche Verlust schon jetzt jedes Jahr 25 Milliarden US-Dollar. 2,8 Millionen Tonnen Getreide könnten mehr geerntet werden, wenn es ausreichend Wasser gäbe. Um dem Norden zu helfen, plant die Regierung ein monströses Projekt: Über drei Kanäle will sie Wasser aus dem Yangtse tausend Kilometer nach oben pumpen.
Über 400.000 Menschen müssen dafür umgesiedelt werden. Dabei weiß niemand so recht, ob der technisch anspruchsvolle und milliardenteure Plan funktionieren wird, der dem Norden jedes Jahr fast 45 Milliarden Kubikmeter Wasser bringen soll. Nach dem Willen der KP-Führung sollen die Bürger überdies endlich sparsamer mit dem kostbaren Wasser umgehen. Die bislang sehr niedrigen Preise wurden inzwischen angehoben. Die Behörden haben auch versprochen, Badehäuser strenger zu überwachen. Zum Autowaschen soll nur noch Brauchwasser genutzt werden. Ob die Funktionäre aber auf ihre feinen Golfplätze verzichten werden, steht dahin.