Kardinal hilft Obdachlosen Und es ward Licht

Kardinal Konrad Krajewski (Mitte) mit Hausbewohnern, denen er den Strom angeschaltet hat
Foto: Fabio Grimaldi/ APEr kam am Sonntagnachmittag in seinem Lieferwagen, Arbeitsschuhe an den Füßen, Arbeitsjacke über der Soutane, nur der weiße Römerkragen wies ihn als Priester aus. Er brachte Geschenke für die 98 Kinder, die in dem großen Haus in der Via di Santa Croce in Gerusalemme, mitten in Rom, wohnen. Außer denen leben auch 352 Erwachsene dort: Roma und Migranten, arbeitslose Italiener; Christen, Moslems und Menschen, die an gar nichts glauben.
Sie alle hatten plötzlich eines gemeinsam: keinen Strom. Seit einer Woche hausten sie im Dunkeln. "Das geht nicht", sagte Kardinal Konrad Krajewski, 55 Jahre alt, der Almosenbeauftragte des Papstes. Deshalb war er da.
Das riesengroße Gebäude war bis 2012 Sitz der Sozialfürsorge für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Dann wurde die Behörde in eine größere Institution eingegliedert und das Haus geräumt. Dort zogen bald Leute ein, die dringend ein Dach über dem Kopf suchten. Ohne Vertrag, ohne zu bezahlen, juristisch gesehen: Hausbesetzer. Andererseits stehen in Rom Tausende Menschen auf einer Warteliste für Sozialwohnungen, auf die sie ebenso juristisch einen Anspruch haben. Eine erschwingliche Wohnung bekommen sie dennoch nicht.
Das Zusammenleben in dem ehemaligen Amtsgebäude lief ganz gut, nahezu problemfrei. Bis vorigen Montag.
Da ließ der Hausbesitzer den Strom abstellen. Die Menschen dort hätten seit sechs Jahren keine Rechnung bezahlt, die Außenstände summierten sich auf 300.000 Euro. Der Energielieferant kappte die Hauptleitung und versiegelte den Zugang, die Bewohner saßen im Dustern. Ohne Strom läuft kein warmes Wasser, kühlt kein Kühlschrank, kocht kein E-Herd, fährt kein Fahrstuhl.
Kenntnisse aus der Zeit vor dem Theologiestudium
So ginge man nicht mit Menschen um, sagte der Kardinal, und als er die kleinen Geschenke verteilt hatte, sagte er es auch dem Hausbesitzer und der Stromfirma. Bis abends um acht möge man bitte wieder Strom ins Haus schicken. Ansonsten würde er das Problem selber lösen.
Die Stunden vergingen, der Strom blieb weg. Da stieg der Kirchenmann in den Schacht, in dem die Energiezuleitungen sich mit dem Hausanschluss treffen, scherte sich nicht um die Siegel, sondern verband, was vor einer Woche getrennt worden war. Und das Haus hatte wieder Strom.
Die Bewohner jubelten über den Mut des Priesters und staunten über seine Fähigkeiten. Ach, sagte der nur, dieser "Akt von Menschlichkeit" sei einfach nötig, "angesichts der Verzweiflung dieser Menschen". Falls es nun eine Strafe gebe, dann nehme er die auf sich. Und seine technischen Fähigkeiten habe er vor dem Theologiestudium erworben: Der Mann ist gelernter Elektriker.
"Der Robin Hood des Papstes"
Halb Rom, halb Italien ist nun begeistert über diesen Priester, der an den berühmten Don Camillo erinnert. Die römische Tageszeitung "La Repubblica" schlagzeilte am Montag: "Der Robin Hood des Papstes".

Konrad Krajewski, einer der jüngsten Kardinäle der Kurie, kurz nach seiner Ernennung im Juni 2018
Foto: ANDREAS SOLARO/ AFPUnd gewiss ist auch das Katholikenoberhaupt begeistert von seinem Almosenbeauftragten. So hatte sich Papst Franziskus das wohl vorgestellt, als er den Polen 2013 ins Amt berief. "Den Schreibtisch kannst Du verkaufen", hatte er ihm gesagt, "Du sollst nicht im Büro hocken". Und seitdem fährt Don Corrado - wie ihn die Römer nennen, weil Konrad zu schwierig ist - nächtens mit seinem Lieferwagen durch Rom, beladen mit Lebensmitteln, Decken und Schlafsäcken, und sucht die, die ihn brauchen. Obdachlose vor allem - und davon gibt es viele in der italienischen Hauptstadt.
Das sind nicht nur Tippelbrüder oder Rauschgiftopfer, es sind viele, die sich einfach keine noch so kleine Bleibe in der wunderschönen, aber teuren Stadt leisten können. Deshalb sind etwa 100 große Gebäude von insgesamt etwa 10.000 Menschen besetzt. Und deshalb gibt es die lange Warteliste für preiswerte Sozialwohnungen, auf der inzwischen über 12.000 Menschen stehen, die die Voraussetzungen für so eine Wohnung erfüllen.
Wohl auch deshalb findet der mutige, vermutlich gesetzwidrige Akt des Priesters so viel Zuspruch. Aber keineswegs überall.
Anti-Papst-Demo: "Bergoglio ist wie Badoglio"
Italiens rechte Parteien und Gruppierungen reagieren empört auf Don Corrados Aktion: Statt Roma und Migranten zu helfen, müssten die Kirche und der Papst - mit bürgerlichem Namen: Jorge Mario Bergoglio - sich um die guten, fleißigen Bürger im Lande kümmern. Unter dem Transparent "Bergoglio ist wie Badoglio" zogen am Montag Anhänger der rechtsradikalen Forza-Nuova-Bewegung vor dem Vatikan auf.
Pietro Badoglio, General unter Italiens faschistischem Duce Mussolini, hatte 1943 den Friedensvertrag mit den Alliierten unterschrieben. Rechten Gesinnungsträgern gilt er seither als Verräter. So wie eben jetzt der Papst, der sich nicht an den Ruf der Rechten hält: "Schluss mit der Einwanderung". Sondern den Einwanderern hilft wo er kann - und zur Not auch mal einen Kardinal schickt.
Zu Recht habe man "denen, die das Haus besetzten" und "die Stromrechnungen nicht bezahlt haben", den Strom abgeschaltet, erregt sich Matteo Salvini, Chef der rechten Regierungspartei Lega, Innenminister und Vizepremier. In einem Interview sagte er, wenn der Almosenbeauftragte des Papstes den Strom nun wieder angeschaltet habe, "gehe ich davon aus, dass er auch die offenen Rechnungen bezahlt".
Aber das muss der wohl nicht.
Es haben sich viele Künstler gefunden, die singen und Theater spielen wollen, um Geld für die Stromrechnungen zu sammeln. Und die Stadt Rom hat wissen lassen, man werde gemeinsam mit den Betroffenen eine Lösung suchen. Aber in der Stadtverwaltung regiert ja die Lega auch - noch - nicht.