S.P.O.N. - Fame Fatale Was an Berlin nicht zu bezahlen ist
Bisher kannte ich Millionärsgattinnen. Auch Millionärskinder. Aber dass es nun auch Millionärsjournalistinnen gibt und ich eine bin, das freut mich außerordentlich. Schon der Annehmlichkeiten wegen: Ich habe jetzt einen Stab von Leuten, die nichts Anderes tun, als mein Dasein zu organisieren - Cocktails mixen, Lockenwickler drehen, Einladungen sichten. Und mir dicke Jacken und Ohrenschützer heranschaffen, für Berlin.
Verdammt - bloß geträumt. Nur zurück in Berlin bin ich wirklich. Matsch, bleicher Himmel, schwere Koffer in den vierten Stock. Aber das erledigt Vincent, der ist mir geblieben aus meinem Traum. Um ihn bin ich froh, schon, weil er sagt, dass ich toll aussehe, auch wenn ich verkatert bin. Und weil er meine Kleider so anmutig bügelt. Und natürlich gilt ein hübscher Assistent unter Erfolgsfrauen längst als echtes Must-have, ich beschwer mich also nicht.
Am Tag unserer Ankunft in Berlin hatte gerade die begonnen. Ich tat also, was wir hier am liebsten tun: fremder Leute Champagner trinken. Und weil eben Fashion Week war, untragbare Mode aus Rumänien oder Friedrichshain anschauen. Dann noch mehr Champagner trinken und überlegen, wohin weiter.
Die ganze Stadt ein einziges Geschwirre und Gesumme - beschenkt mit einem Aufrege-Thema: Weil der SPIEGEL geschrieben hat, Berlin sei gescheitert mit seiner Fashion Week, sei nicht Paris oder New York geworden, es zeigten keine internationalen Labels hier und überhaupt. Mag ja sein, aber es interessiert uns nicht, so war überall zu hören, hier geht es um anderes als Gucci. Um Szene, Subkultur, junge Designer, Avantgarde. München und Düsseldorf haben Geld, Berlin den Rest - das also, was nicht zu erklären und nicht zu bezahlen ist, Sex-Appeal.
Eine kleine Welt für ein paar Tage
Es stimmt ja: Wie soll in Berlin in fünf Jahren entstehen, was in Paris hundert Jahre wächst? Das ist ein neuer Ton, und er gefällt mir. Noch vor Jahren wurde alles mit New York verglichen. Dreistigkeiten? Klar, mussten sein, so wie in New York. Müll auf den Straßen? Bitte ja, auch wie in New York. Und plötzlich hier im weißen Plastikzelt: unerwartetes echtes Selbstbewusstsein. Eine kleine Welt für ein paar Tage, ein Zukunftslabor, in dem die Szene sich und die ihren feiert.
Unrath & Strano haben die Krise und die Insolvenz überstanden, dafür gibt's Extra-Applaus. Bei Lala Berlin sitzen Heike Makatsch und Boris Becker, bei Kaviar Gauche Natalia Wörner und Oscar Roehler, alles unaufgeregt. Nur zwischendurch Anrufe, die kleine Schockwellen nach links und rechts auslösen. "Wie bitte, Reese Witherspoon ist im Soho House? Seit wann? Wie? Ist sie noch da? Ich kann dich nicht verstehen. WIE?"
Eigentlich gibt es in Berlin an Tagen wie diesen nur zwei Lokale, das Borchardt und den Grill Royal. Das macht es sehr übersichtlich. Wenn hier niemand mehr ist, gehen wir dorthin, sind ja nur ein paar hundert Meter. Wenn auch da keiner mehr ist, begeben wir uns auf den Heimweg. Nein, noch nicht, erst noch ins Kingsize, den Ableger vom Grill, kleiner als das Badezimmer meiner Schwester in Los Angeles. Und plötzlich ist es draußen wieder hell, das geht nirgends schneller als hier und ist vielleicht das wahre Geheimnis Berlins.
"Wer braucht Prada? Wir haben Guido Maria Kretschmer"
Vorher, noch im Borchardt, war spät der Bürgermeister gekommen, ist ja sein Wohnzimmer und Mode Chefsache - ist die Fashion Week doch eines der wenigen Ereignisse, die der armen Stadt richtig Geld bringen. An internationaler Missachtung leide er nicht, sagt Klaus Wowereit und lacht die Frage weg: "Wer braucht Prada? Wir haben Guido Maria Kretschmer." Den trägt in Hollywood Charlize Theron. Er selbst aber nicht, beeilt Wowereit sich zu sagen: "Viel zu teuer."
Boris Becker ist auch noch da. Morgen genauso. Und bei Hugo Boss in der Neuen Nationalgalerie sitzt "Bunte"-Chefredakteurin Patricia Riekel umringt von Veteranen, Vicky Leandros, Sabine Christiansen, Udo Walz. Gegenüber, in der anderen Ecke, echtes großes Kino: Tilda Swinton und Chloë Sevigny. Swinton hat ihren jungen Liebhaber dabei. Fotografiert werden wollen sie als Paar nicht, sie schüttelt freundlich ihren königlichen Kopf. Dafür gibt es ein schnelles Bild für "Bunte" und "Bild". Sie liebt es in Berlin, sagt Tilda Swinton. Sie war oft hier über die Jahre. Es erinnert sie an Glasgow. Auch in der Mode sei das so. Weil die Leute rumliefen, als gehörte ihnen die Stadt.
Beim Hinausgehen werfe ich noch einen Blick auf den Laufsteg, der einmal quer durch die Nationalgalerie gelegt wurde. 40 Meter Klavierlack, auf denen sich der Mond spiegelt.