"Sewol"-Bergungstaucher Das Grauen in der Tiefe
Hamburg - Sie erledigen wohl einen der schwierigsten Jobs, die man sich vorstellen kann: die Bergungstaucher am Wrack der untergegangenen Fähre "Sewol" vor der Küste Südkoreas. Tag für Tag holen sie die Leichen von Passagieren und Besatzungsmitgliedern aus dem Wasser, mittlerweile sind es schon 150 bestätigte Tote. An Bord waren 476 Menschen, als die "Sewol" kenterte und sank. 174 wurden gerettet. Doch für die restlichen Vermissten, immer noch weit über hundert, gibt es kaum noch Hoffnung.
Ununterbrochen tauchen die Männer zum Wrack, mittlerweile sind immerhin die Außenbedingungen erträglicher: Besseres Wetter als noch zu Beginn des Einsatzes erleichtert die Arbeit. Auch der Einsatz von Tauchrobotern ist eine Hilfe. Doch die Situation an Bord wird komplizierter. "Das Foyer ist ein großer Raum, dort ging die Suche schnell. Aber bei den Kabinen müssen wir die Wände durchbrechen", sagte ein Sprecher des Rettungsteams.
Unter Wasser ist die Sicht nach wie vor schlecht. Dass es sich bei den meisten der Leichen um Jugendliche handelt, ist zudem eine große psychische Belastung für die Taucher. "Wir sind zwar für Einsätze in schwierigen Umgebungen ausgebildet", sagte etwa Taucher Hwang Dae-sik: "Aber es ist hart, stark zu bleiben, wenn man im Dunkeln auf Leichen trifft."
Scharfe Kanten gefährden die Taucher
Die Einsatzkräfte können jeweils etwa eine Stunde unter Wasser bleiben, die Sauerstoffversorgung wird meist über Schläuche gewährleistet - und das birgt Gefahren: Auf der versunkenen "Sewol" gibt es viele scharfe Kanten. Doch wenn die Taucher mit eigenen Presslufttanks unterwegs sind, haben sie lediglich 20 Minuten.

Die meisten Leichen wurden bislang auf der dritten und vierten Ebene der Fähre gefunden, dort hielten sich zum Zeitpunkt des Unglücks offenbar die meisten Menschen auf. Viele Schüler waren dort in Kabinen untergebracht. Sie erhielten offenbar die Anweisung, unter Deck zu bleiben - zu ihrer eigenen Sicherheit. Ein fataler Irrtum.
Viele der Leichen weisen Spuren eines grausamen Überlebenskampfes auf: Sie haben gebrochene Finger; Verletzungen, die offenbar beim Versuch entstanden, die Wände hochzuklettern und ins Freie zu gelangen. Für die Taucher sind diese Details mittlerweile grausamer Alltag geworden. "Das ist der zermürbendste und herzzerreißendste Job meiner Karriere", sagt Hwang.
Durchsuchungen bei Reederei
Mittlerweile läuft die Aufarbeitung des Falles auch auf rechtlicher Ebene auf Hochtouren: Die südkoreanische Staatsanwaltschaft hat zahlreiche Büros des Schiffsbetreibers Chonghaejin Marine durchsucht. Ziel der Aktion waren auch die Wohnungen der Eigentümerfamilie sowie Unternehmen, die mit der Firma in Verbindung stehen.
Ermittelt wird wegen Steuerhinterziehung, Unterschlagung und krimineller Fahrlässigkeit. "Wir versuchen auch, Gewinne aus illegalen Geschäften und versteckte Guthaben einzuziehen, die für die Entschädigung der Familien der Unglücksopfer genutzt werden sollen", sagte Staatsanwalt Kim Hoe Jong.
Die Ermittler prüfen mittlerweile auch, ob der verhaftete Kapitän wegen "Totschlags durch Unterlassen" angeklagt werden könne, berichtete der staatliche Sender Arirang. Dem 68-Jährigen und weiteren leitenden Besatzungsmitgliedern wird unter anderem vorgeworfen, fahrlässig gehandelt und das sinkende Schiff mit den Passagieren im Stich gelassen zu haben.
Die Eigentümer des Schiffsbetreibers Chonghaejin haben in einem Statement ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht: "Wir werden jede Verantwortung für den Unfall übernehmen und nicht zögern, alles zu tun, um den Schmerz der trauernden Familien zu lindern", hieß es in der Mitteilung.