Dieser Beitrag wurde am 31.12.2018 auf bento.de veröffentlicht.
Ich habe es ja wirklich versucht: Ich bin zu Partys gegangen, ich habe mich betrunken, ich habe ein Essen mit Freunden organisiert, ich bin zu geheimen Raves gegangen, ich habe Partyhütchen getragen und geknutscht, ich habe zu zweit, zu viert, zu zehnt, zu 1000 gefeiert. Ich habe wirklich alle Varianten von Silvester durch.
Dieses Jahr nun werde ich Silvester alleine feiern. Und das macht mir richtig Angst.
Denn ich habe keine Ahnung, wie sich das anfühlen wird. Wie wird es sein, wenn um Mitternacht die Explosion los geht – und ich allein am Fenster stehe, Cremant trinke und an die letzten 12 Monate zurückdenke? Wie wird es sich anfühlen, dass da niemand ist?
"Wir müssen reden"
Die wöchentliche Kolumne von Kathrin Weßling. Denn: Wir müssen reden. Über einfach alles. Am meisten aber über die Themen, die gerade aktuell brennen. Das kann ein Shitstorm sein oder eine Liebeserklärung, ein Aufschrei oder ein Kopfschütteln – gesprochen wird über alles, was beschäftigt oder bewegt, nervt oder einfach gerade im Raum steht.
Was ich hoffe: Dass ich mich stark und gut fühle. Dass ich stolz darauf bin, dass es mir egal ist, dass es sogar irgendwie schön ist, in diesem Moment alleine zu sein. Ein neues Erlebnis wünsche ich mir, eines, das mich zurechtrückt für das nächste Jahr. Eine Begegnung mit mir, ein Moment der Stille, ein Augenblick, in dem ich mich nicht ablenke mit anderen und anderem, mit Schnaps oder Liebe, mit irgendwas außer mir selbst.
Wovor ich Angst habe: dass ich mich schwach und einsam fühle. Dass ich bereue, das getan zu haben, dass es kaum auszuhalten ist, in diesem Moment alleine zu sein. Ein neues Erlebnis, das mich still und allein ins neue Jahr gehen lässt. Einen Moment der Stille, ein Augenblick, in dem ich mich nicht ablenken kann mit anderen, mit Schnaps oder Liebe, bei mir sein muss, nur ich.
Ich glaube, der Weg führt immer nur durch die Angst und er führt vor allem niemals an einem vorbei.
Egal, wie sehr man will: es geht nur hindurch, nicht außen rum.
Das Jahr war anstrengend und schön, es war mutig, einsam, wild, lustig, qualvoll, interessant, motivierend, zerstörerisch. Es war alles, was in ein Jahr passen kann und ganz oft auch viel zu viel mehr. Am Ende eines solchen Jahres kann man da stehen und sagen: Okay, ich will die ganze Scheiße jetzt vergessen, zwölf Stunden Koma und danach alles auf Anfang. Man kann sagen: ich will da jetzt nicht drüber nachdenken, ich will, dass es bunt wird und laut um mich, schrill und süffig. Ich will einfach, dass es so doll knallt, dass ich mich nicht mehr höre.
Das ist verlockend, das sehe ich ein. Aber ich, ich will nicht so weitermachen, im Rausch bleiben, weiter, weiter, weiter schwimmen, lieber reden als schweigen, lieber irgendwas machen, als vor allem Angst haben. Ich möchte genau das: Ich will all dem in die Augen gucken und schreien.
Ich will mit mir allein sein, egal, ob das schmerzt und brennt oder ob es gut tut und heilt.
Ich will mich trauen, das auszuhalten: Silvester mit dem einzigen Menschen zu verbringen, dem ich niemals aus dem Weg gehen kann.
Denn natürlich ist Silvester scheißegal – genau so wie Weihnachten. Aber mir bedeutet es etwas, mir ist das wichtig. Nicht weil eine Sekunde nach zwölf alles anders ist, sondern weil ich eine Sekunde nach zwölf umblättere und wieder etwas Neues beginnt. Ich weiß nicht, ob das ein Grund zum Feiern – oder ob das lächerlich ist.
Aber was ich weiß, ist, dass die Stille in einem nicht weggeht, nur, weil man laut schreit und irgendwas auf den Boden schmeißt.
Und vielleicht wird diese Stille mir ja etwas erzählen, das ich noch nicht weiß.