Pyrotechnik als Waffe Feuerwehr »überrascht von der Intensität der Angriffe« an Silvester

Polizistinnen und Polizisten auf dem Pariser Platz in Berlin in der Silvesternacht
Foto: Christophe Gateau / dpaDie Berliner Feuerwehr hat zum Jahreswechsel mehr als 1700 Einsätze gefahren, fast 700 mehr als vor einem Jahr während der Coronabeschränkungen. Das geht aus einer vorläufigen Bilanz vom Neujahrsmorgen hervor. Demnach wurden 22 Menschen von Knallern und Raketen verletzt. In 38 Fällen seien Einsatzkräfte angegriffen und 15 von ihnen verletzt worden, einer der verletzten Retter musste ins Krankenhaus. »Dieses Verhalten ist durch nichts zu rechtfertigen, und ich kann es nur auf das Schärfste verurteilen«, sagte Landesbranddirektor Karsten Homrighausen.
Die Feuerwehr hatte wie üblich vorsorglich den »Ausnahmezustand Silvester« ausgerufen, um Führungsdienste und Personal für die »arbeitsreichste Nacht des Jahres« aufzustocken. Insgesamt waren 1471 Kräfte mit 395 Fahrzeugen im Dienst, wie es hieß. Sie wurden den Angaben zufolge zwischen 19.00 Uhr am Silvesterabend und 06.00 Uhr am Neujahrsmorgen 1717 Mal gerufen. Zum Vergleich: In der Silvesternacht vor einem Jahr, für die offiziell kein Feuerwerk verkauft werden durfte, waren es in der gleichen Zeit insgesamt 1026 Einsätze.
Pyrotechnik »ganz gezielt als Waffe eingesetzt«
Die Feuerwehr selbst zog als Fazit, man sei gut vorbereitet gewesen, aber überrascht »von der Masse und der Intensität der Angriffe auf unsere Einsatzkräfte«. So seien unter anderem Bierkisten und Feuerlöscher auf Fahrzeuge geworfen worden, Retter seien beim Löschen mit Pyrotechnik beschossen oder Einsatzfahrzeuge geplündert worden. Alle Fälle würden angezeigt.
Auch die Berliner Polizei verzeichnete »massive Angriffe« , die »in ihrer Intensität mit den Vorjahren nicht zu vergleichen sind«. Bis um 4 Uhr morgens seien 18 Beamte verletzt worden. Einer der Polizisten sei mit schweren Verbrennungen am Hals stationär in einer Klinik aufgenommen worden, nachdem gegen 0.20 Uhr mehrere Streifenwagenbesatzungen mit Pyrotechnik beschossen worden seien.
Berichte über Attacken auf Rettungskräfte gab es unter anderem auch aus Görlitz und Essen. In der Ruhrgebietsstadt mussten Feuerwehrleute die Löscharbeiten an mehreren brennenden Müllcontainern unterbrechen, da sie dabei mit Pyrotechnik beschossen wurden. »Erst nachdem Polizisten eine Kette um die Kollegen der Feuerwehr bildeten, konnten die Brände erfolgreich gelöscht werden«, heißt es in einer Bilanz der Polizei. Drei Feuerwehrleute seien leicht verletzt worden.
»Erschreckend« sei, so schreibt die Hamburger Feuerwehr, wie aggressiv Einsatzkräfte angegangen worden seien und »regelrecht beschossen wurden«. Bei verschiedenen Löscheinsätzen wurden der Bilanz zufolge Rettungskräfte mit Böllern angegriffen. In einem Fall sei ein Feuerwehrmann auf seinem Motorrad mit einer Leuchtkugel beschossen worden, die ihn nur knapp verfehlt habe. Bei einem anderen Einsatz habe ein weiterer Feuerwehrmann durch die dicke Brandschutzkleidung hindurch Verbrennungen am Oberschenkel erlitten.
Als Reaktion auf die Angriffe fordert die Gewerkschaft der Polizei Berlin (GdP) ein weitgehendes Böllerverbot. »Wir haben deutschlandweit gesehen, dass Pyrotechnik ganz gezielt als Waffe gegen Menschen eingesetzt wird«, kritisierte GdP-Landeschef Stephan Weh am Neujahrsmorgen. Das müsse ein Ende haben. Es brauche ein Verkaufsverbot für alle, die nicht beruflich und dementsprechend verantwortungsvoll mit Pyrotechnik hantierten. Dies sei allerdings nur realistisch, wenn nicht erst im Dezember wieder darüber diskutiert werde, fügte er hinzu.
CDU und FDP gegen »generelles Feuerwerksverbot«
Politiker von Union und FDP wandten sich gegen ein allgemeines Böllerverbot. »Die Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte in der Silvesternacht sind geradezu absurd und verachtenswert«, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der »Rheinischen Post«. Das Verhalten von Kriminellen dürfe aber nicht bedeuten, »dass auch die vielen friedlich Feiernden einem generellen Feuerwerksverbot unterliegen sollten«.
Ähnlich argumentierte die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, in derselben Zeitung: »Ein allgemeines Böllerverbot wäre nicht zielführend, zumal Städte die Möglichkeit haben, partielle Feuerwerksverbote auszusprechen.«
»Dass wir auch in diesem Jahr darüber sprechen müssen, dass Rettungs- und Einsatzkräfte behindert, angegriffen und verletzt wurden, in Teilen sogar schwer, macht mich wütend«, erklärte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD). »Ich hoffe auf eine erfolgreiche und konsequente Strafverfolgung.« Auch rechtliche Neuerungen »sollten wir uns anschauen«, fügte sie hinzu.