Kein Böllerverbot zu Silvester Städte und Kommunen setzen auf Vernunft

»Chinaböller«: Wichtige Tradition oder gefährlicher Unsinn?
Foto: DPAAm Dienstagabend wurde in Chemnitz-Markersdorf ein 25-Jähriger durch explodierende Pyrotechnik verletzt. Der Grund: Aus der vierten Etage eines Mehrfamilienhauses hatte ein Unbekannter Böller auf den Gehweg geworfen. Der 25-Jährige habe wenige Meter neben der Explosion gestanden und ein Knalltrauma erlitten. Er musste zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus.
Jetzt ermittelt die Polizei wegen fahrlässiger Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion gegen unbekannt. Und die alljährlich wiederkehrende Debatte über ein Böllerverbot ist eröffnet.
»Tradition nicht zwingend durch generelle Verbote infrage stellen«
Kommunale Spitzenverbände haben sich bereits für Beschränkungen beim Silvesterfeuerwerk ausgesprochen – ein generelles Verbot lehnen sie allerdings ab.
»Das neue Jahr mit Feuerwerk zu begrüßen, hat eine lange Tradition in Deutschland«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Diese Tradition sollte man nicht zwingend durch generelle Verbote infrage stellen, zumal solche Verbote kaum flächendeckend kontrolliert werden können.«
Landsberg sprach sich dafür aus, den Kommunen solche Entscheidungen zu überlassen und »an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger zu appellieren«. Vor allem in Krisenzeiten wollten viele Menschen an Silvester feiern, um einen Moment lang ihre Sorgen zu vergessen.
Auch der Deutsche Städtetag lehnte die Forderung etwa der Deutschen Umwelthilfe nach einem Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk ab. »Wir haben allerdings beim Bund angeregt, Tier- und Naturschutz stärker in der Sprengstoffverordnung zu verankern«, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem RND. »Tierparks, Tierheime sowie Natur- und Landschaftsschutzgebiete müssen in den Katalog der Orte aufgenommen werden, in deren Nähe das Abbrennen von Pyrotechnik verboten ist.«
Es gebe gute Gründe für einen Verzicht auf Feuerwerk, etwa weniger Lärm und Feinstaub, mehr Ruhe für Tiere und Anwohner, weniger Unfälle und weniger Müll. »Vorschreiben können und wollen wir das aber nicht«, sagte Dedy.
Tonnenweise illegale Böller
Ein weiteres Problem ist der Handel mit verbotener Pyrotechnik. In einer Bunkeranlage an der deutsch-niederländischen Grenze haben Ermittler kürzlich ein Lager mit rund 250 Tonnen hochgefährlicher Feuerwerkskörper entdeckt.
Zwei Verdächtige wurden festgenommen. Sie gelten als Kopf einer Gruppe von Beschuldigten, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück. Sie sollen den Ermittlern zufolge das Feuerwerk in Webshops vor allem in den Niederlanden zum Verkauf angeboten haben. Die Ware konnte dann in Läden in der Grenzregion abgeholt werden.
Beschlagnahmte Pyrotechnik wird vernichtet
»Viel von dem gefundenen Feuerwerk ist für niederländische Verbraucher verboten, weil es zu gefährlich ist«, sagte Jack Sijm, Feuerwerksexperte der niederländischen Polizei. Es sei Pyrotechnik der schwersten Kategorie gefunden worden wie etwa »Shells«, die weder in Deutschland noch in den Niederlanden erlaubt seien. »Shells« seien »lebensgefährlich«, sagte der Experte.
Die Polizei will nun so viel Feuerwerk wie möglich, das bereits verkauft worden war, wieder von den Käufern zurückholen. Die beschlagnahmte Pyrotechnik soll sachgerecht vernichtet werden. Der Marktwert der nun sichergestellten Böller belaufe sich auf mehr als 15 Millionen Euro.
»Illegales Feuerwerk ist eine Bedrohung für Leib und Leben«
Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) hatte die vorangegangenen grenzüberschreitenden Durchsuchungen der Ermittlungsbehörden zum Anlass genommen, um auf die Gefahr illegaler Pyrotechnik hinzuweisen. »Illegales Feuerwerk ist kein Spaß, sondern eine lebensgefährliche Bedrohung für Leib und Leben«, hatte der VPI-Vorsitzende Thomas Schreiber in einer Mitteilung gesagt.
Nachdem der Verkauf von Feuerwerk in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland pandemiebedingt verboten war, stellen sich die Kliniken in der Bundesrepublik unterdessen wieder auf ein normales Silvester ein – sprich: eine hohe Belastung der Kliniken wegen Verletzungen.