Sieger des Social Design Awards 2018 All-inclusive - aber nur für Kinder

Mama hat frei - und die Kleinen übernachten im inklusiven Kinderhotel
Foto: Social Design Award 2018Welche Projekte könnten das Zusammenleben in der Nachbarschaft verbessern? Das ist die Frage, auf die SPIEGEL ONLINE und SPIEGEL WISSEN mit dem Social Design Award nach besonders kreativen Antworten suchen. Die besten Projekte wurden am Montagabend in Hamburg ausgezeichnet. Hier stellen die Preisträger sie selbst vor.

Die Betreiberinnen von "Mama hat frei! Inklusives Kinderhotel": Laura Kalmbach, Emine Yildirim, Stefanie Eichholtz (von links), daneben Marcus Wegener von Bauhaus, der den Preis verliehen hat
Foto: Katrin Würtembergerhabito Kinderhotel: Abenteuer für eine Nacht
Das inklusive Kinderhotel des Heidelberger Vereins habito konnte die Leser überzeugen und gewann den mit 2500 Euro dotierten Publikumspreis. An zwei Abenden im Monat können zehn Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren im Mehrgenerationenhaus Schweizer Hof einchecken. Sie bekommen ein Abendessen, spielen gemeinsam, übernachten auf einem Matratzenlager oder in einer mongolischen Jurte im Garten und bleiben bis zum Frühstück. SPIEGEL ONLINE hat mit Laura Kalmbach gesprochen, die die Idee zu dem Projekt hatte und es leitet.
SPIEGEL ONLINE: Wer freut sich mehr über eine Übernachtung im Kinderhotel, die Kinder oder die Eltern?
Kalmbach: Ich glaube, es haben alle etwas davon. Eltern haben mal einen Abend frei, auch wenn sie sich keinen Babysitter leisten können. Und die Kinder haben viel Spaß bei uns.
SPIEGEL ONLINE: Wie schaffen Sie es, dass sich die Kinder gleich bei Ihnen wohlfühlen?
Kalmbach: Bei uns herrscht eine sehr heimelige Atmosphäre, und wir gehen auf die Bedürfnisse jedes Kindes ein. Es gibt auch die Möglichkeit, die Kinder vor dem Schlafengehen abzuholen und dann gleich zum Frühstück wieder zu bringen. So sehen die Kinder, dass es andere geschafft haben, und wollen es beim nächsten Mal selbst probieren.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel Zeit investieren die Betreiber in das Projekt?
Kalmbach: Wir sind zehn Mitarbeiterinnen im Kinderhotel-Team, die sich unter der Woche gemeinsam Themen und Aktionen für die Abende überlegen. An denen sind wir dann zwei bis drei Betreuerinnen. Das Projekt ist ehrenamtlich, außer die Leitung.
SPIEGEL ONLINE: Seit einem Jahr betreuen sie Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam. Wie hat sich das Projekt entwickelt?
Kalmbach: Es ist eine größere Hürde für Eltern, ein behindertes Kind bei uns abzugeben, aber da haben wir viel Vertrauensarbeit geleistet, die Hürde wird immer niedriger. Auch die Berührungsängste der Kinder ohne Behinderung werden immer weniger.
SPIEGEL ONLINE: Sie möchten auch geflüchtete Kinder ins Kinderhotel einladen. Was erhoffen Sie sich dadurch?
Kalmbach: Damit beginnen wir jetzt. Wir haben eine Förderung von der Diakonie Baden bekommen und können den geflüchteten Kindern anbieten, kostenfrei ins Kinderhotel zu kommen. Sie können mit anderen Kindern zusammen spielen und einfach mal ein Stück heile Welt erleben.

Das Team vom Stadtteilzentrum Mikropol: Mika Hasselbring, Torben Körschkes, Julian Hees, Steffen Albrecht, Ina Röhling, Marius Töpfer, Lisa Marie Zander, Marcus Wegener (Bauhaus), Rebecca Wall (von links)
Foto: Katrin WürtembergerStadtteilzentrum Mikropol: Vom Lokus zum Treffpunkt
Eine Gruppe von Architekten, Designern und Künstlern von der Hochschule für Bildende Künste und der HafenCity Universität in Hamburg hatte die Idee, ein nicht mehr genutztes Toilettenhäuschen auf einer Verkehrsinsel im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort in das neue Stadtteilzentrum Mikropol umzubauen. Dafür gewannen sie den ebenfalls mit 2500 Euro dotierten Jurypreis. Lisa Marie Zander vom Kollektiv Mikropol erläutert die Idee.
SPIEGEL ONLINE: Wieso ein nicht mehr genutztes Toilettenhäuschen als neues Stadtteilzentrum?
Zander: Vor zwei Jahren wurde die Rothenburg, das Stadtteilzentrum, ersatzlos abgerissen. Wir fanden, es muss wieder einen Ort geben, wo sich die Initiativen des Stadtteils treffen können. Das Toilettenhäuschen steht auf dem alten Marktplatz von Rothenburgsort. Wir sehen ihn als zentralen Punkt, an dem sich die Nachbarschaft über den Weg läuft.
SPIEGEL ONLINE: Was passiert auf der Verkehrsinsel?
Zander: Im Moment laden wir die Nachbarn zu regelmäßigen Treffen ein. Wir haben zusammen Boule gespielt, gegrillt und einen Stadtteilspaziergang gemacht. Der Ort kann unterschiedlich genutzt werden: Die Fahrradwerkstatt möchte Treffen anbieten, die Mieterberatung auch. Es wird Filmabende geben.
SPIEGEL ONLINE: Wie haben die Nachbarn auf die Initiative reagiert?
Zander: Es wissen sehr viele Leute im Stadtteil davon, die einen auch mal abends in der Kneipe ansprechen und sich als Teil davon fühlen.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben letzte Woche den Mietvertrag unterschrieben. Wie geht es weiter?
Zander: Wir werden jetzt mit dem Umbau des Toilettenhäuschens starten. Von dort aus möchten wir mit den Nachbarn neue Aktionen planen und weitere Orte suchen, die wir nutzen können.

Marcus Wegener und die Erfinderinnen des Pavillons PlugIn: Alexa Bartsch, Finia Köhler, Anna- Maria Tiedemann
Foto: Katrin WürtembergerPavillion PlugIn: Ein Dach für die Gemeinschaft
Vor einer Berliner Flüchtlingsunterkunft steht seit Juli das modulare Holzhaus PlugIn, das aussieht wie ein Gewächshaus. Es wurde von Studierenden der TU Berlin entworfen und gemeinsam mit Geflüchteten gebaut. Der Pavillon überzeugte die Expertenjury und bekam den mit 500 Euro dotierten Sonderpreis verliehen. SPIEGEL ONLINE hat mit der Architekturstudentin Alexa Bartsch aus dem Gewinnerteam gesprochen.
SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet PlugIn?
Bartsch: Wir haben den Pavillon so entwickelt , dass man ihn zu etwas Bestehendem dazustellen kann, das er dann erweitert. Das PlugIn kommt zu einer Flüchtlingsunterkunft dazu und schafft dort ein weiteres Angebot: Einen Gemeinschaftsraum, den man für alles Mögliche nutzen kann. PlugIn lässt sich leicht nachbauen, immer wieder auf- und abbauen und erweitern.
SPIEGEL ONLINE: Wie entstand die Idee für das Projekt?
Bartsch: Es gab einen Wettbewerb an der Uni, der sich mit der Idee des PlugIn beschäftigte. Wir sind nach Stuttgart gefahren und haben dort Geflüchtete in einer Unterkunft interviewt. Danach war klar, dass ein multifunktionaler Gemeinschaftsraum entstehen soll.
SPIEGEL ONLINE: Wofür kann das modulare Holzhaus genutzt werden? Und wer trifft sich dort?
Bartsch: Geflüchtete feiern dort Geburtstage und grillen gemeinsam. Das geht, weil das Holzhaus keine Tür hat. Ein Nachbarschaftsverein hat Hochbeete gepflanzt und Blumenkästen in die Regale gestellt, die nun gemeinsam von Geflüchteten und Anwohnern gepflegt werden. An anderen Stellen im Regal stehen Bücher, die man ausleihen kann.
SPIEGEL ONLINE: Wie wurde der Pavillon gebaut? Kann man ihn auch bei Regen oder im Winter nutzen?
Bartsch: Wir haben Sperrholzplatten, Schrauben und Muttern aus dem Baumarkt verwendet. Um die einzelnen Module kommt Gewächshausfolie, die das Holzhaus wasserdicht macht. Gleichzeitig gibt es einen Wärmespeicher-Effekt. Wenn man im Winter draußen steht, ist es im Pavillon immer noch angenehmer als daneben, aber da er nicht klimatisiert ist, wird er nicht für die gleichen Events genutzt werden können.