
Jubel in Spanien: Olé olé olé
EM-Jubel in Spanien Viva la Furia!
"Ganz Spanien färbt sich rot" titelte die Zeitung "El País" noch in der Nacht von Sonntag auf Montag und meinte damit keine politische Reaktion auf jüngste Äußerungen des Wirtschaftsministers, Luís de Guindos, der einen weiteren Rückgang der spanischen Wirtschaft für das zweite Halbjahr 2012 vorhergesagt hatte, sondern den lang anhaltenden Jubel auf Spaniens Plätzen und Straßen.
Nach dem historischen Sieg ihrer Nationalelf, La "Furia Roja", bei der Europameisterschaft in Kiew feierten die Menschen überall im Land das 4:0 gegen Italien. Die meisten von ihnen trugen dabei Rot, die Farbe der Trikots der Nationalmannschaft.
"Wir dürfen das Land nicht enttäuschen, die Leute brauchen eine Freude," hatte Trainer Vicente del Bosque schon im Vorfeld des Endspiels gesagt. Und seine Spieler enttäuschten nicht. Im Gegenteil, sie liefen im letzten Spiel zur Hochform auf und brachten ihren Landsleuten eine erfrischende Ablenkung vom Dauerthema Finanzkrise. Und tatsächlich wirkte die Stimmung auf der Fanmeile in Madrid zunächst nicht ganz so ausgelassen wie noch vor vier Jahren, als Spanien das erste Mal seit 1964 endlich wieder einen Titel holen konnte; oder vor zwei Jahren, als das Land Weltmeister wurde.
Vielleicht sind die Spanier einfach zu verwöhnt mit einem Team, das nun gleich drei Titel hintereinander absahnte. Oder die relativ gedämpfte Stimmung mag daran gelegen haben, dass nach der ersten Halbzeit mit 2:0 eigentlich schon alles klar zu sein schien. Mit den letzten beiden Toren kam dann aber wieder große Freude auf.
"Wir sind die Besten! Wir sind die Besten!" rief eine Frau ausgelassen gleich nach dem Abpfiff - bis ihr die böse Frage nach der Zukunft gestellt wurde. Da verdüsterte sich ihr Blick. Denn Zukunft bedeutet: höhere Rechnungen (seit dem 1. Juli sind Strom- und Gaspreise erneut gestiegen), weitere Steuererhöhungen, Angst vor dem Abrutschen in die Armut.
"Wahrscheinlich spielen wir besser als wir wirtschaften"
Seit dem 1. Juli müssen auch die Rentner für ihre Medikamente, die bislang frei waren, einen Teil der Rechnung mitbezahlen. "Die Armen leiden unter der Krise und die Mittelklasse zahlt sie", ist derzeit ein gängiger Spruch. Ein Ende der Misere noch nicht in Sicht. Die Regierung rechnet für das laufende Jahr mit einem Minus von 1,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. Neue "harte und schwierige Maßnahmen" hat Ministerpräsident Mariano Rajoy deshalb erst vor wenigen Tagen angekündigt.
"In Spanien ist man seit langem der Meinung, dass die Politiker die Aufmerksamkeit lieber auf den Fußball lenken wollen," sagte eine Frau bei einer Straßenumfrage auf die etwas provokative Frage, ob die Spanier bessere Fußballer seien als Wirtschafter. "Die Frage ist nicht schlecht," so ein anderer Passant. "Wahrscheinlich spielen wir besser als wir wirtschaften, weil es weniger Anstrengung kostet." Wer gesehen hat, mit welcher Leichtigkeit die Spanier eine große Fußballnation wie Italien vom Platz fegten, möchte dem beinahe zustimmen.
"Spanien gewinnt" titelte die Zeitung "La Razón" schon am Samstag. Sie nahm damit aber nicht den historischen Sieg der Fußballspieler vorweg, sondern bezog sich auf den Etappensieg der Spanier und Italiener auf dem EU-Gipfel in Brüssel.
Rajoy verkniff sich nach dem Brüssler Gipfel jegliches Triumpfgefühl, behauptete sogar, es habe keinerlei Druck gegeben und sagte, er glaube, dass die großen Gewinner des jüngsten Gipfels der Euro und das europäische Projekt seien. In Kiew musste er sich seine Triumpfgefühle dann glücklicherweise nicht mehr verkneifen.