
Der gebrochene Spaten
Foto: SPIEGEL ONLINEHeimwerken soll verlorene Lebenszeit sein? Sicher nicht! Jedes angedübelte Regal, jede verdrahtete Lampe, jedes gebaute Häuschen: wertvolle Stunden. Abgesehen von dem Tag, an dem mich ein Spaten zum Narren hielt.
Ohne Spaten kann man im Garten so viel machen wie in der Küche ohne Herd. Insofern war ich bestens ausgestattet, als ich mir einen Spaten kaufte und kurz darauf zwei Stück geschenkt bekam. Wer denkt, drei Spaten seien mindestens einer zu viel, hat keinen Nachbarn, der sich gerne Werkzeug leiht. Und er hat vermutlich auch noch nie einen Spaten abgebrochen. Zum Beispiel, wenn man - wie ich in regenschwerem Boden - versucht, eine hartnäckige Wurzel herauszuhebeln. Knack, Wurzel weiterhin drin, Stiel in zwei Teile gebrochen - eins davon steckte fest im Spatenblatt.
Ich setzte mich hin, zog am Stiel-Rest und drückte mit beiden Beinen gegen das Blatt. Ich zog und drückte, so stark ich konnte. Es muss ausgesehen haben wir ein Bauchmuskel-Workout mit einem obskuren Gerät, das man normalerweise bei Dauerwerbesendungen angepriesen bekommt. Mein Nachbar guckt seither immer skeptisch, wenn ich einen Spaten in der Hand halte.
In der Hoffnung, das Blatt würde sich lösen, schlug ich den Spaten auf den Boden. Keine Veränderung am Spaten, dafür am Pflasterstein: Eine Ecke war abgesprungen. Mir war, als mache sich der Spaten über mich lustig.
Ich drehte eine Schraube ein, um das Stielholz herauszuhebeln. Ich kam mir sehr schlau vor: Die Härte des Metallblatts und der Schraube gegen das Holz einsetzen! Die Stärke des Gegners ausnutzen, um ihn an seiner verwundbarsten Stelle zu treffen. Ich, der Sunzi der Gartengeräte-Guerilla.
Ich saß da, schwitzend, fluchend
Ich hebelte. Der Stiel bewegte sich keinen Millimeter. Dafür verbog die Schraube. Es kostete mich einige Mühe und bestimmt fünf Minuten, sie wieder herauszuholen.
Ich drehte eine deutlich stabilere Schraube deutlich tiefer ein. Ich hebelte. Der Stiel bewegte sich keinen Millimeter. Dafür verbog die Schraube. Es kostete mich deutlich mehr Mühe als bei Versuch Nummer eins, sie zu entfernen.
Offener Schraubenkoffer, offene Werkzeugkiste, Akkuschrauber - um mich herum sah es aus, als hätte ich schon richtig viel geschafft. Dabei war die Wurzel immer noch im Boden. Und das Loch, das ich eigentlich nach der Wurzel-Aktion schon längst für den neuen Kirschbaum hatte buddeln wollen, existierte weiterhin bloß in meiner Vorstellung. Ich saß da, schwitzend, fluchend. Und der Stiel steckte so fest wie zuvor.
Die nächste Idee: Ein Feuer machen und das Holz herausbrennen. Dafür hätte ich aber ein ziemlich großes Feuer gebraucht. Weil der Spaten den Großteil seines Lebens im Freien verbracht hatte, war das Holz alles andere als trocken und zum Verbrennen mäßig geeignet. Und ich malte mir aus, wie das Spatenblatt sich durch die Hitze bis zur Unbrauchbarkeit verbiegen würde. Unbrauchbar war der Spaten mit halbem Stiel aber auch so, da konnte ich mir das Feuermachen auch sparen.
Wie erklärt man eine Verletzung beim Spatenstielkernbohren?
Ich erwog, das Spatenblatt irgendwo zu befestigen, den Stiel mit einem Seil am Auto zu befestigen und ihn dann herauszureißen. Aus dem Plan wurde nichts, weil mir auf die Schnelle keine geeignete Befestigung für das Spatenblatt einfiel.
Schließlich kam ich auf den Gedanken, den Kern des Stiels herauszubohren und dadurch das festsitzende Holz zu lockern. Wenn der Kern erst mal raus ist, lässt sich der Rest leicht herausziehen.
Kurz überlegte ich, wie man eine Selbstverletzung beim Spatenstielkernbohren wohl in der Notaufnahme erklärt. Ich ignorierte meine Bedenken, die Wut auf den Spaten war stärker. Um möglichst viel Holz zu entfernen, wählte ich einen extrabreiten Bohrer.
Ich bohrte. Der Geräuschkulisse ließ sich entnehmen, dass der Bohrer öfter Bekanntschaft mit dem Metall machte. Gut eine Stunde nach dem Stielbruch gab das Holz seinen Widerstand auf. Ein kräftiger Ruck und der Stielrest war aus dem Spatenblatt entfernt. Einer meiner besten Bohrer, teurer als der gesamte Spaten, war bei der Aktion draufgegangen. Aber ich hatte gewonnen.
Meine beiden anderen Spaten sind übrigens super. Bis jetzt habe ich mit ihnen noch jede Wurzel herausgehebelt bekommen. Und ein paar Wochen später tatsächlich das Loch für den Kirschbaum gegraben. Ich bin sicher, dass ihre Stiele viel stabiler sind als der des ersten Exemplars. Dessen Blatt nehme ich als Handschaufel. Und jedes Mal, wenn ich es benutze, denke ich über verlorene Lebenszeit nach.


Als Kind stellte er im heimischen Keller Holzschwerter in Massenproduktion her. Heute prüft er mit der Wasserwaage, ob der Haussegen schief hängt. SPIEGEL-ONLINE-Redakteur Benjamin Schulz ist Bastler aus Leidenschaft und Notwendigkeit. Er hat wenig Erfahrung und keine Fachkenntnis, dafür fehlt ihm oft das passende Werkzeug.Im Blog "Gesägt, getan" schreibt er über seine Basteleien und den mühsamen Weg zur Heimwerker-Erleuchtung.
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