Stadtarchiv-Einsturz in Köln Feuerwehr gibt Hoffnung auf Überlebende auf

In den Trümmern des Kölner Stadtarchivs werden noch zwei Menschen vermisst - doch die Feuerwehr kommt kaum voran, hat nur noch wenig Hoffnung. Die Einsatzkräfte sprechen nun offiziell davon, dass offenbar Probleme in einer U-Bahn-Baugrube zu dem Einsturz geführt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Köln - "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch einen Menschen lebend aus dem Trümmerberg herausholen, geht gegen null", sagte Feuerwehrdirektor Stephan Neuhoff am Mittwoch in Köln. Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs werden noch zwei männliche Bewohner vermisst. Die Suche sei äußerst schwierig, da in der Umgebung weitere Häuser stark einsturzgefährdet seien, so Neuhoff.

Inzwischen erhärtet sich der Verdacht, dass die benachbarte U-Bahn-Baustelle für das Unglück verantwortlich sein könnte. Neuhoff sagte, in deren Grube sei eine Öffnung entstanden. In diese Öffnung sei Erde nachgerutscht - wodurch dem Historischen Archiv praktisch der Boden entzogen wurde und das Gebäude nach vorne in die Grube gekippt sei.

Auf einer Pressekonferenz am Vormittag forderte Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma die lückenlose Aufklärung des Unglücks. Jürgen Fenske von den Kölner Verkehrsbetrieben sagte, man ermittle unter Hochdruck, habe aber noch keine Erkenntnisse zu den Ursachen. "Wir wissen relativ verlässlich, was passiert ist, aber nicht, warum es passiert ist." Das Bedrückende sei, dass "wir das Schicksal der beiden Vermissten nicht kennen".

Inzwischen hat die Kölner Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Dabei werde dem Verdacht der Baugefährdung und der fahrlässigen Körperverletzung nachgegangen, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld am Mittwoch. Die Ermittlungen richteten sich zunächst gegen Unbekannt.

Oberbürgermeister Schramma hatte zuvor den Weiterbau der U-Bahn unter der Kölner Altstadt am Morgen in der ARD in Frage gestellt. "Ich halte das eigentlich jetzt fast für unverantwortlich", sagte er. Es müsse grundsätzlich geprüft werden, ob man in Zukunft in bewohnten Städten U-Bahn-Bauten in einem solchen Ausmaß durchführen könne und solle. "Es ist ja nicht das einzige Haus, das Risse zeigt und das Schäden zeigt."

Der Bau der vier Kilometer langen Nord-Süd-Bahn ist seit dem Beginn der Bauarbeiten vor fünf Jahren hoch umstritten: Die Kosten für das Projekt sind um 320 Millionen Euro auf rund 950 Millionen explodiert, die Geschäftsleute an der Einkaufsmeile Severinstraße klagen über Umsatzeinbrüche. Ende September 2004 geriet bereits ein Kirchturm durch den Tunnelbau in Schieflage und machte als "schiefer Turm von Köln" weltweit Schlagzeilen. Allein seine Aufrichtung kostete eine Million Euro. Auch andere Häuser entlang der unterirdischen Strecke zeigten Risse - immer wieder wurde der U-Bahn-Bau dafür verantwortlich gemacht. Nach bisherigen Planungen sollten Mitte 2010 die ersten Züge auf der neuen U-Bahn-Strecke starten. Die Linie soll vom Breslauer Platz nördlich des Hauptbahnhofs parallel zum Rhein verlaufen und damit den historischen Teil Kölns an das U-Bahn-Netz anbinden.

Rettungskräfte können kaum nach Vermissten suchen

Mit Blick auf die Vermissten in den Trümmern sprach der Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), Albrecht Broemme, von einer schwierigen Lage. Noch sei das Betreten weiter Teile der Einsturzstelle für die Einsatzkräfte zu gefährlich, sagte er am Morgen dem Fernsehsender n-tv. Selbst die Rettungshunde könnten nicht überall eingesetzt werden. Damit die Suche fortgesetzt werden kann, wurden in der Nacht rund tausend Kubikmeter Beton aufgeschüttet, sagte ein Feuerwehrsprecher. Dadurch solle verhindert werden, dass der Boden erneut nachgibt. Das vierstöckige Haus im Kölner Severinsviertel war am Dienstagmittag auf die Straße und in eine nahe gelegene U-Bahn-Baustelle gekippt. Zwei benachbarte Wohngebäude fielen teilweise in sich zusammen.

Frühere und aktuelle Mitarbeiter des Archivs erhoben schwere Vorwürfe gegen die Stadt. Es habe schon vor längerer Zeit deutliche Schäden in dem Gebäude gegeben, sagte der ehemalige Abteilungsleiter Eberhard Illner dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Da muss ein Ingenieur richtig einen an der Klatsche haben, wenn man solche Hinweise nicht ernst nimmt", kritisierte er. Es sei "grob fahrlässig" gehandelt worden. Eine langjährige Mitarbeiterin des Archivs sagte der Zeitung: "Wir hatten laufend Wasserschäden." Die Kölner Verkehrsbetriebe hätten jedoch nie zugegeben, dass diese Schäden auf die Bauarbeiten zur Erweiterung der U-Bahn zurückgingen: "Das konnte ja nicht gut gehen."

Das Kölner Stadtarchiv umfasst Dokumente aus mehr als tausend Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, unter anderem 65.000 Urkunden, 104.000 Karten und eine halbe Million Fotos. Auch zahlreiche Nachlässe, darunter des Schriftstellers Heinrich Böll befinden sich in dem Archiv. Die früheste Urkunde stammt aus dem Jahr 922. "Wir wollen retten, was noch zu retten ist", sagte der Kölner Oberbürgermeister. Dies werde aber noch einige Tage dauern.

Die entstandenen Schäden sind groß. Der Versicherungswert des Archivmaterials liege bei 400 Millionen Euro, sagte Kulturdezernent Georg Quander. "Es handelt sich um das Gedächtnis des gesamten Rheinlandes und weit darüber hinaus." Wie viel Archivgut vernichtet worden ist, sei noch nicht abzuschätzen. Im schlimmsten Fall sei der Schaden höher als beim Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar.

Historisches Archiv der Stadt Köln

ala/dpa/AFP/ddp
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