Steve Fossett Gesucht wird ein Millionär
New York - Es war die größte Suchaktion in der Geschichte der USA. Wochenlang durchkämmten sie die Wüste Nevadas, per Flugzeug, per Auto, zu Fuß. Mehr als 60 Maschinen nahmen teil, unterstützt von Blackhawk-Spezialhelikoptern mit Infrarot-Scannern. Gut 52.000 Quadratkilometer nahmen sie unter die Lupe. Doch von Steve Fossett fehlte jede Spur.
Der 63-jährige Millionär, Abenteurer und mehrfache Weltumrundungsrekordhalter war im September 2007 während eines normalen Übungsflugs in Nevada verschollen. Nach einem Monat wurde die Suche eingestellt. Im Februar erklärte ihn ein Gericht auf Antrag seiner Witwe für tot. Weder sein Flugzeug noch seine Leiche sind bisher gefunden worden.
Doch damit war die Sache nicht beendet: Die Umstände des mysteriösen Verschwindens Fossetts sind derzeit Gegenstand neuer, privater Untersuchungen - trotz des gerichtlichen Schlussstrichs. Das Ergebnis dieser Ermittlungen sei zwar noch offen, hieß es in informierten Kreisen. Doch drehten sie sich unter anderem um Vermutungen über ein "verborgenes Doppelleben" Fossetts. Es werde momentan geprüft, "warum er verschwunden ist" und welche Vorgeschichte das gehabt haben könnte. "Da könnte es Enthüllungen geben."
Der US-Privatdetektiv Paul Ciolino - der sich im Zusammenhang mit Freisprüchen von zu Unrecht verurteilten Häftlingen einen Namen gemacht hat - bestätigte, dass er für den Fall engagiert worden sei, wollte sich aber nicht weiter dazu äußern. "Meine einzige Beteiligung war, dass ich einige Zeugen ausfindig gemacht habe", sagte Ciolino SPIEGEL ONLINE.
Britische Zeitungen sorgten zu Wochenbeginn mit Meldungen für Furore, Fossett "könnte seinen eigenen Tod vorgetäuscht haben". Der Londoner "Telegraph" und das Boulevardblatt "News of the World" berichteten übereinstimmend, Fossett habe sein Verschwinden möglicherweise nur inszeniert, entweder "wegen persönlicher Probleme" oder um finanziellen Sorgen zu entkommen. So habe Fossett mindestens eine Geliebte gehabt.
Der "Telegraph" verwies auf "eine Reihe von Anomalitäten" und stellte in Frage, "ob Fossetts Flugzeug je abgestürzt ist". So habe nur ein Zeuge ihn starten gesehen. Auch habe Fossett keine Notfallausrüstung dabei gehabt.
Die Berichte lösten großen Wirbel aus. Fossetts Witwe Peggy ließ über ihren Anwalt Michael LoVallo erklären, sie sei "zutiefst bestürzt" über die "grundlosen" Spekulationen. "Die Behauptungen in diesen Berichten widersprechen den relevanten Fakten zu Mr. Fossetts Tod", sagte LoVallo SPIEGEL ONLINE. Das Gericht habe ihn aufgrund "sehr glaubhafter" Zeugenaussagen für tot erklärt.
Eines der größten Rätsel in der Luftfahrtgeschichte
Fossetts Verschwinden im September 2007 hat schon oft zu Spekulationen geführt. Das US-Magazin "National Geographic" nannte den Fall "unerklärlich" und verglich ihn mit einem der größten Geheimnisse der Luftfahrtgeschichte, der 1937 über dem Pazifik verschollenen Flugpionierin Amelia Earhart. "Vielleicht haben wir ihn nicht gefunden, weil er nicht gefunden werden will", sagte Dennis Bunch, einer der Beteiligten an der Fossett-Suche, dem "National Geographic" bereits voriges Jahr.
Die beiden britischen Zeitungen beriefen sich jetzt auf zwei Quellen: Cynthia Ryan, eine Majorin der Civil Air Patrol (CAP) - eine Zivileinheit der US-Luftwaffe, die die Fossett-Suche damals geleitet hatte - sowie Robert Davis, einen privaten Gutachter in Louisiana, der den Fall untersucht habe. "Ich habe herausgefunden", zitierte der "Telegraph" Davis, "dass es absolut keinen Beweis dafür gibt, dass Steve Fossett tatsächlich tot ist."
Davis, ein Versicherungssachverständiger, distanzierte sich jedoch von diesen Aussagen und nannte sie "unrichtig". "Das sind Tabloid-Gerüchte", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Alles was wir wissen ist, dass ein Flugzeug und ein Mann vermisst werden." Ausdrücklich lobte er die Suchaktion der CAP: "Sie hat ausgezeichnete Arbeit geleistet."
Die britischen Zeitungen hatten gemeldet, Davis habe Fossetts Verschwinden im Auftrag der Londoner Versicherung Lloyd's untersucht. Davis dementierte eine direkte Verbindung zu dem Unternehmen, schloss aber nicht kategorisch aus, dass er im Fall Fossett für einen anderen Auftraggeber ermittelt habe: "Wegen der Vertraulichkeit gegenüber meinen Klienten kann ich weder bestätigen noch dementieren, dass ein solches Gutachten in Arbeit ist."
25 Millionen Pfund Lebensversicherung?
Nach Angaben der britischen Blätter soll Lloyd's wegen Fossetts Tod zur Auszahlung einer Versicherungssumme in Höhe von 25 Millionen britischen Pfund verpflichtet sein. Deshalb habe die Versicherung den Fall näher überprüfen lassen. Lloyd's gab auf Anfrage keinen Kommentar zu den Berichten ab.
Peggy Fossetts Anwalt LoVallo erklärte dazu, seine Mandantin habe "keine Kenntnis" von einer Versicherung Fossetts bei Lloyd's. "Keine solche Police trat während der umfangreichen Anhörung zu Tage", sagte er. Fossetts Vermögen zu seinem Tod habe einer "mehr als achtstelligen Summe" in Bargeld und Anlagen entsprochen. Davon werde nichts vermisst. Fossett sei bei seinem Verschwinden "in keinerlei finanziellen Schwierigkeiten" gewesen und habe keine Schulden gehabt.
Auch CAP-Majorin Ryan, die bei der Suche voriges Jahr eine maßgebliche Rolle gespielt hatte, widersprach den britischen Berichten. Ihre Aussage sei "aus dem Zusammenhang gerissen worden", sagte sie SPIEGEL ONLINE, gab darüber hinaus aber keine weitere Auskunft.
Der "Telegraph" hatte sie mit den Worten zitiert: "Ich mache diese Such- und Rettungssache seit 14 Jahren. Fossett hätte gefunden werden müssen. Es ist nicht so, dass wir unsere Augen nicht geöffnet haben. Wir haben sechs andere Flugzeuge gefunden, während wir nach ihm suchten."
"Faktische Fehler"
CAP-Sprecherin Julie Debardeleben ergänzte, die britischen Berichte enthielten "faktische Fehler" - ebenfalls jedoch, ohne das zu konkretisieren. "Fragen zu Fossetts Privatleben und Gerüchte über sein Verschwinden haben nichts mit den CAP-Suchaktionen zu tun", sagte sie SPIEGEL ONLINE. "Fossett und sein Flugzeug bleiben weiter unentdeckt."
Fossetts Erbe wird auf weit mehr als zehn Millionen Dollar geschätzt. Damit es ausgezahlt werden konnte, war es nötig, dass der Unternehmer offiziell für tot erklärt wurde. Das geschah im Februar vor dem Bezirksgericht Cook County in Chicago, dem Hauptwohnsitz der Fossetts.
"Fossett hatte keinen Grund zu verschwinden", hieß es damals in der Petition seiner Witwe Peggy. "Fossett war glücklich und verfolgte seine Abenteuer leidenschaftlich. Niemand der an der Suche Beteiligten hat Hoffnung, dass Fossett noch lebt."
Normalerweise müssen Menschen in Michigan sieben Jahre lang verschollen sein, bevor sie für tot erklärt werden. Doch Richter Jeffrey Malak machte eine Ausnahme, nachdem er Mrs. Fossett und das Suchteam befragt hatte.
Mitte Juli hatte eine neue Mannschaft unter der Führung des 31-jährigen kanadischen Geologen Simon Donato erneut in Nevada nach Fossett geforscht. Auch diese Suche wurde nach einer Woche ergebnislos abgebrochen.