Stimme von "Bernd das Brot" Der Laib-Eigene

Puppenspieler Jörg Teichgraeber mit "Bernd das Brot": "Die kurzen Arme kann ich nicht steuern. Die können nur wackeln."
Foto: KI.KA/ Christiane PauschSPIEGEL ONLINE: Herr Teichgraeber, wie muss ein Brot sprechen?
Jörg Teichgraeber: Tief. Sehr tief. Es ist ja ein Grundnahrungsmittel.
SPIEGEL ONLINE: Wie kommt man auf die Idee, seine Stimme einem Brot aus Latex zu leihen?
Teichgraeber: Ich war noch im Studium, als mir meine Professorin ein Fax unter die Nase hielt. Der Kinderkanal hatte schon mehrere Puppenspieler für das Brot gecastet, fand aber nicht den Richtigen. Also rief ich den zuständigen Redakteur an und sagte mit sehr sonorer Stimme: "Ich habe gehört, Sie suchen eine Stimme für ein Brot." Rückblickend würde ich das als Kantinenschauspielerei bezeichnen. Aber ich wurde sofort eingeladen.
SPIEGEL ONLINE: Was haben Sie beim Casting machen müssen?
Teichgraeber: Weil Bernd halbgetrocknet beim Puppenbauer lag, musste ich ersatzweise eine deprimierte Ratte spielen. Der habe ich Bernds Stimme gegeben. Ich bekam den Job, zehn Tage später begannen die Dreharbeiten.
SPIEGEL ONLINE: Bernd das Brot besteht aus gebackenem Latexschaum, aus Plastikaugen und ein paar Metallschrauben. Wie haucht man diesem toten Material Leben ein?
Teichgraeber: Meine rechte Hand steckt in der Handpuppe und bewegt den Mund. Das ist eine klassische Klappmaulpuppe. In der linken Hand halte ich den Bowdenzug und kann mit meinem Daumen die Augen bewegen. Das ist alles mechanisch wie bei einer Fahrradbremse. Die kurzen Arme kann ich nicht steuern. Die können nur wackeln.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel Schauspielerei steckt im Puppenspiel?
Teichgraeber: Ich sage immer, ich spiele nicht MIT einer Puppe, sondern DURCH eine Puppe. Mit ihrer Hilfe kann ich bestimmte Charakterzüge transportieren. Gegenüber einem Schauspieler habe ich den Vorteil, dass ich meine Arbeit zeitgleich auf einem Monitor sehen kann. Stimmt die Position? Stimmen die Bewegungen? Der Schauspieler braucht Markierungen auf dem Boden, ich kann mir selbst bei der Arbeit zusehen.
SPIEGEL ONLINE: Wie würden Sie Bernds pädagogischen Auftrag definieren - vorausgesetzt, es gibt einen?
Teichgraeber: Bernd das Brot erzieht gewissermaßen zu Medienkompetenz. Er mag das Fernsehen nicht, obwohl er dort arbeitet. Bernd ist eine seltsame Fortsetzung von Peter Lustig, der am Ende von "Löwenzahn" immer sagte: "Abschalten!" Das fand ich schon als Kind toll.
SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie nicht Bernd das Brot in Deutschland spielen, leben und arbeiten Sie in Südschweden, gehen dort auch mit Theaterstücken auf Tour. Warum gerade dort?
Teichgraeber: Im schwedischen Grundgesetz steht, dass jeder Bürger, unabhängig von seinem Einkommen, Zugang zu Bildung und Kultur haben muss. Schüler können gratis ins Theater. Eine staatliche Organisation veranstaltet Festivals, bei denen auch freie Produzenten wie wir ihre Stücke vorstellen dürfen. Die werden dann für die einzelnen Schulen eingekauft. Das hat dazu geführt, dass wir durch eine einzige Präsentation bei diesem Festival eine ganze Tournee mit 50 Aufführungen zusammenhatten. Das ist in Deutschland nicht möglich.
SPIEGEL ONLINE: Es gibt in Schweden also vernünftigere Prioritäten in der Bildungspolitik?
Teichgraeber: Es fühlt sich nicht gut an, vor Berliner Schülern zu spielen, bei denen die Lehrerin für die Aufführung jeweils drei Euro einsammeln musste, obwohl 40 Prozent aus Familien mit Hartz IV kommen. Das entspricht einfach nicht meiner Auffassung von Kultur. Weil Theater für diese Kinder ein nicht zu bezahlender Luxus bleibt, weichen sie jeden Tag Stunden lang aufs Fernsehen aus. Das ist quasi kostenlos und ein schlechter Kulturersatz.
SPIEGEL ONLINE: Im Januar 2009 stahlen Hausbesetzer in Erfurt eine zwei Meter große Bernd-Skulptur vor dem dortigen Rathaus und produzierten ein Entführer-Video. Das war ganz sicher kein PR-Gag?
Teichgraeber: Das war doch kein PR-Gag! Bernd wurde wirklich entführt. Das Video war sehr authentisch, aber ich lege Wert darauf, dass ich das nicht gesprochen habe. Die haben die Sätze aus den Fernsehsendungen genommen und sie neu zusammengesetzt. Ich hätte das niemals gesprochen. Ich bin gegen Gewalt und Entführung. Aber über dieses Entführer-Video habe ich mich köstlich amüsiert.
SPIEGEL ONLINE: Plant Bernd das Brot nach dem Ende seiner eigenen Serie* neue Fernsehprojekte?
Teichgraeber: Die Zeit ist reif, Bernd als Latenight-Talker zu etablieren. Bernd hat im Fernsehen alles ertragen und die höchste Form der Medienkompetenz erreicht. Jetzt sollte er in einer eigenen Talkshow über das Mediengeschäft reden. Gerade weil der Kinderkanal erwachsener werden möchte und sich an die neue Zielgruppe der "Keenies", also zwischen dem Kinder- und Teenageralter, richten will, wäre Bernds eigene Talkshow eine logische Schlussfolgerung.
SPIEGEL ONLINE: Sollen Gäste kommen? Oder muss man Bernd anrufen wie bei "Domian"?
Teichgraeber: Bernd das Brot soll der Harald Schmidt oder David Letterman des Kinderfernsehens werden. Gerade, weil er das Fernsehen nicht mag. Solche Anti-Talkmaster zeichnen sich durch ihren besonders trockenen Humor aus. Bernd würde am Anfang natürlich keine Witze über Tagespolitik machen, sondern über Alltagskatastrophen berichten, mit denen sich jeder identifizieren kann. Dann kommen prominente Gäste wie Bela B und Bastian Pastewka, der sich ständig neu verkleidet, um immer wieder in die Sendung kommen zu können, oder Schüler, die etwas Besonderes können.
SPIEGEL ONLINE: Wie konkret ist das Projekt?
Teichgraeber: Ich habe es dem Kinderkanal vorgeschlagen, aber bislang keine Antwort bekommen.
SPIEGEL ONLINE: Wechselt Bernd das Brot den Sender, falls der Kinderkanal kein Interesse am Konzept hat?
Teichgraeber: Nein. Bernd gehört dem Kinderkanal. Der kann gar nicht wechseln. Aber das Konzept würde auch mir als Puppenspieler die Möglichkeit geben, mit der Figur neue interessante Dinge auszuprobieren.
SPIEGEL ONLINE: Wann kommt Bernd das Brot ins Kino?
Teichgraeber: Ich weiß es nicht. Tommy Krappweis, der Regisseur, erzählt mir seit fünf Jahren von einem solchen Projekt. Ich hoffe, dass der Film irgendwann gedreht wird.
SPIEGEL ONLINE: Bekommen Sie eigentlich auch Fanpost, als Jörg Teichgraeber?
Teichgraeber: Das kommt vor und schmeichelt mir sehr. Zu meinem 35. Geburtstag hat mir sogar Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit einen Brief geschickt. Mit Siegel des Berliner Senats. Er lobte meine Theaterarbeit und schrieb über seine Hoffnung, dass ich durch Bernd Berlin die Treue halte. Das fand ich unglaublich nett.
SPIEGEL ONLINE: Welches Brot ist Ihnen im wahren Leben denn das liebste?
Teichgraeber: Auf jeden Fall deutsches Brot. Schwedisches ist immer gesüßt. Es geht nichts über eine gute deutsche Vollkornschnitte.
*Die neue und letzte Staffel "Bernd das Brot" ab 5. September, 11.05 Uhr, auf KI.KA
Die Fragen stellte Michael Scholten.