Streit um Flugverbote Messungen zeigen kaum Asche über Deutschland
Hamburg - Wie gefährlich war die Aschewolke über Norddeutschland? Erst ab zwei Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft ist das Fliegen verboten. Ob der Wert am Mittwochvormittag tatsächlich erreicht wurde, erscheint nach ersten Messungen zweifelhaft. Mehrere große Flughäfen, darunter Berlin und Hamburg, waren geschlossen worden, Zehntausende Reisende saßen fest.
"Die Aschekonzentration scheint insgesamt sehr niedrig zu sein", teilte das Forschungszentrum Jülich jetzt mit. Das Messsignal sei "deutlich kleiner" als 2010 beim Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull. Die Jülicher Forscher haben seit Dienstagabend mit Laserstrahlen den Partikelgehalt der Luft über Schleswig-Holstein gemessen. Ihr Messgerät befindet sich in der Nähe von Rendsburg.
Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) erstreckte sich die Aschewolke am Vormittag bis ins südliche Niedersachsen und Sachsen-Anhalt und nach Brandenburg. Doch dem DWD liegen nach eigenen Angaben keine Messwerte vor, er bezieht sich nur auf die Simulation der Luftströmungen.
Die Jülicher Forscher haben nun nachgemessen und die Wolke tatsächlich erspäht: Am Dienstag um 18 Uhr schwebte sie in fünf bis sieben Kilometern Höhe über Schleswig-Holstein, am Mittwochvormittag um 8 Uhr in etwa drei Kilometern Höhe. Ob die Asche gefährlich war, soll nun geklärt werden: "Genauere Ergebnisse werden im Laufe des Tages erwartet", teilten die Forscher mit. Die Sperrung des Luftraums war von Fluglinien heftig kritisiert worden.
Situation an Airports teilweise chaotisch
Im Reiseverkehr kam es zu erheblichen Behinderungen, die teilweise immer noch anhalten. Mehrere hundert Flüge in Deutschland wurden gestrichen, und viele Passagiere mussten deshalb ihre Reisepläne ändern. In Frankfurt am Main blieben Flüge nach Bremen und Hamburg am Boden. Der Berliner Luftraum ist seit 11 Uhr gesperrt, wurde aber um 14 Uhr wieder geöffnet, teilte die Deutsche Flugsicherung (DFS) in Langen mit.
Auf dem Hamburger Flughafen durften Flugzeuge ab 6 Uhr weder starten noch landen, sagte eine Flughafensprecherin. Die Sperrung der Airports Hamburg und Bremen wurde ab 12 Uhr wieder aufgehoben. In Hamburg landete die erste Maschine um 12.25 Uhr. Gegen 11 Uhr waren die Sicherheitskontrollen wieder geöffnet worden. Insgesamt waren für den gesamten Tag in Hamburg 453 Starts und Landungen geplant. Betroffen seien damit allein dort weit mehr als 20.000 Flugreisende, hieß es.
Die ersten Passagiere legten sich mit ihrem Gepäck auf den Boden, eine Gruppe Jugendlicher baute aus Koffern eine Burg. Ansonsten waren die beiden Terminals nicht übermäßig gefüllt, vor einigen Check-in-Schaltern bildeten sich Schlangen mit normaler Länge.

Während am frühen Morgen die meisten Passagiere noch gelassen wirkten, kippte im Laufe des Vormittags offenbar die Stimmung. "Das liegt sicherlich an der Salami-Taktik, die hier von einigen Airlines betrieben wird. Die Information vor Ort ist extrem schlecht", berichtet SPIEGEL-ONLINE-Redakteur Michail Hengstenberg, der seit 5 Uhr am Flughafen war, um nach Portugal zu reisen.
Am Vorabend habe es geheißen, dass die ersten drei Maschinen am Morgen, darunter auch seine, noch starten könnten und der Luftraum erst ab 6 Uhr gesperrt sei. Die Passagiere konnten noch einchecken, inzwischen jedoch wurde der Flug von Tuifly wie einige andere auf 17 Uhr verschoben. "Man fragt sich, warum die die Flüge nicht auch einfach canceln. Keiner kann eine verbindliche Auskunft geben", so Hengstenberg. Die Passagiere könnten den Flughafen zwar verlassen - aber auf eigenes Risiko. Die Situation könnte sich schließlich jederzeit ändern.
- (Informationen Flughafen Hamburg)
"Wie lange es noch zu Beeinträchtigungen kommen wird, ist derzeit nicht abzusehen", erklärte die DFS. Die Lufthansa rechnet wegen der Aschewolke mit 150 Flugausfällen. Betroffen seien An- und Abflüge an den Flughäfen Hamburg, Bremen und Berlin, erklärte ein Sprecher der größten deutschen Fluggesellschaft am Morgen in Frankfurt. Insgesamt wickle die Lufthansa täglich 2000 Flüge ab.
- (Fluginformationen der Lufthansa)
Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin rechnet damit, dass sie bundesweit rund 120 Flüge streichen muss. Wie ein Unternehmenssprecher sagte, wären davon rund 12.000 Passagiere betroffen.
Am Mittwochmorgen waren von und nach Berlin bereits knapp 30 Flüge gestrichen worden. Betroffen war vor allem der Flughafen Tegel. Dort fielen innerdeutsche Flüge nach Frankfurt am Main, Stuttgart und München aus. Auch internationale Verbindungen nach Nordeuropa wurden storniert.
- (Aktuelle Informationen auf der Website der Deutschen Flugsicherungund der Berliner Flughäfen)
In Frankfurt fielen 26 Passagierflüge aus, sagte ein Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport. Auch Fluggäste mit Ziel Berlin mussten sich auf Ausfälle einstellen. Am Morgen wurden in Frankfurt am Main bereits 16 Flüge aus der und in die Hauptstadt gestrichen. Die DFS empfahl allen Passagieren in Richtung Norden, sich bei ihren Fluggesellschaften zu erkundigen.
Der Flughafen in Bremen darf wieder angeflogen werden. Dort gibt es den Angaben zufolge rund hundert Starts und Landungen pro Tag.
- (Informationen Flughafen Bremen)
Auch am Flughafen in Stuttgart warten Reisende auf Ansagen: Nach Angaben eines Sprechers sind etwa 800 Passagiere betroffen, die zurzeit auf ihren Koffern sitzen. Betroffen sind ebenfalls die Flughäfen München und Nürnberg: Mehrere Flüge von und nach Hamburg und Berlin fielen aus. Der übrige Flugbetrieb lief aber ganz normal, wie ein Flughafensprecher sagte. Auch in Düsseldorf machten sich die Auswirkungen der Aschewolke bemerkbar.
Die Wolke des isländischen Vulkans Grímsvötn hatte bereits am Dienstag vor allem in Großbritannien zu zahlreichen Flugausfällen geführt. In Europa waren nach Angaben der europäischen Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol 500 Flüge abgesagt. Bis Donnerstag soll sich der Betrieb jedoch wieder normalisieren, hieß es.
Verkehrsminister Ramsauer redet Chaos schön
Der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull hatte im vergangenen Jahr wochenlang zum Ausfall Tausender Flüge geführt. Damals fehlten Grenzwerte für die Aschekonzentration in der Luft. Inzwischen gelten drei Zonen - das Fliegen in Regionen mit geringer Konzentration ist erlaubt. In Deutschland wurde von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine kritische Marke festgelegt. Bei mehr als 2,0 Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft darf nicht mehr geflogen werden - es sei denn, Triebwerk- und Flugzeughersteller halten einen störungsfreien Betrieb für möglich.
Nach Angaben der Internationalen Luftfahrtvereinigung (IATA) in Genf verursachte "das Missmanagement von 2010" im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Eyjafjallajökull dem internationalen Luftverkehr einen Verlust von 1,8 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro). Die weltweite Wirtschaft habe einen Schaden von insgesamt fünf Milliarden Dollar (3,5 Milliarden Euro) erlitten.
Ramsauer rechnet im aktuellen Fall trotz der Aschewolke damit, dass sich die Situation auf den deutschen Flughäfen bald wieder beruhigen wird. "Wir können damit rechnen, dass sich für die betroffenen Flughäfen im Norden Deutschlands im Laufe des Nachmittags die Lage auch wieder entspannen wird", sagte Ramsauer am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin".
Er beziehe sich bei dieser Einschätzung auf Experten des Deutschen Wetterdienstes und der Deutschen Flugsicherung. "Wir sind heute wesentlich besser in der Lage als vor gut einem Jahr, eine solche Situation zu beherrschen", sagte Ramsauer. Es gebe mittlerweile eine "solide rechtliche Basis" und ein "verlässliches Messnetzwerk". Zu den umstrittenen Grenzwerten für Vulkanasche in der Luft ergänzte er: "Hier bildet sich niemand etwas ein. Es fußt auf exakten wissenschaftlichen Methoden. Solange keine noch besseren vorliegen, müssen wir danach entscheiden."