Stromchaos im Münsterland 25.000 Menschen droht vierte Nacht ohne Strom
Münster - Die Helfer kämpfen noch immer mit den Folgen des Schneesturms. Die Lage im Krisengebiet bessere sich allerdings stündlich, sagte der Sprecher des Krisenstabs, Stefan Bergmann. "Bis heute Abend werden wir zwar noch nicht alle Menschen wieder mit Strom versorgen können", sagte Bergmann SPIEGEL ONLINE, aber die Helfer seien angesichts der Fortschritte "hoffnungsfroh, dass wir viele Haushalte erreichen können".

Der zuständige Stromversorger RWE kündigte am Mittag in einer Pressemitteilung an, bis zum Abend weitere 25.000 Menschen wieder mit Strom beliefern zu wollen. Schwerpunkt der Arbeiten sei das Gebiet rund um die besonders schwer betroffene Kleinstadt Ochtrup, die nur über eine einzige Hochspannungsleitung versorgt wird. Mehrere Masten der Leitung waren beim Unwetter am Freitag unter der Last der Schneemassen zusammengebrochen, die Verbindung ist auf einer Länge von drei Kilometern zerstört. Die Reparatur der Leitungen ist nach Angaben von RWE kompliziert. Deswegen bemühten sich die Mitarbeiter, an Knotenpunkten leistungsstarke Notstromaggregate zu installieren. Diese Geräte sollen ganze Straßenzüge wieder mit Strom versorgen. In Ochtrup ist die Stadthalle weiterhin Anlaufpunkt für Übernachtungen und vor allem die Versorgung mit warmen Getränken oder Mahlzeiten.
Insgesamt waren bei dem Schneesturm im Münsterland 50 Hochspannungsmasten umgeknickt. Nach Angaben der Bezirksregierung hatten in der dritten Nacht in Folge noch immer 65.000 Menschen im Dunkeln gesessen. Im Kreis Steinfurt gibt es noch größere Probleme. In den benachbarten Landkreisen Borken und Coesfeld normalisierte sich die Lage dagegen allmählich, und die Stromversorgung war bis auf einige Außenbezirke wiederhergestellt. Wann auch der letzte Bauernhof wieder mit Strom versorgt ist, ist noch völlig unklar.
"Wir stehen uns die Beine in den Bauch"
Während sich die Lage langsam bessert, macht sich dennoch Unmut bei den Betroffenen und einigen Helfern breit. Das Krisenmanagement der Kreise, der Bezirksregierung und des Stromversorgers RWE lasse zu wünschen übrig. Einsatzkräfte seien zwar von weither angefordert worden, würden aber kaum eingesetzt, bemängelten Feuerwehrleute aus Hessen. "Wir sind über 300 Kilometer angereist und stehen uns hier die Beine in den Bauch", sagte ein Feuerwehrmann aus dem Hochtaunuskreis in Ochtrup. Einsatzleiter Norbert Fischer kritisierte ebenfalls die mangelnde Koordination in Ochtrup: "Es ist erschreckend, wie wenig Kommunikation hier stattfindet. Unsere mitgebrachten Notstromaggregate stehen zum Teil ungenutzt rum."
Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hatte bereits gestern verhalten Kritik geübt: "In den nächsten Tagen und Wochen werden wir überall da, wo Einsätze stattgefunden haben, nachdenken müssen, was man noch besser machen kann." Der Bund der Energieverbraucher forderte heute in Bonn, der Versorger RWE müsse für die Schäden durch den Stromausfall aufkommen. "Wer das Geschäft macht, darf sich bei der Haftung nicht drücken", hieß es in einer Erklärung des Bundes. Es könne nicht sein, dass Gewinne der Stromkonzerne privatisiert und Kosten von der Allgemeinheit getragen werden.
Der regionale RWE-Chef Knut Zschiedrich sagte im ARD-"Morgenmagazin", sein Unternehmen arbeite mit allen Kräften rund um die Uhr an dem Problem. Er verwahrte sich zugleich gegen Vorwürfe, die Anlagen seien zu schwach gebaut worden. Dies sei nicht der Fall, allerdings seien sie auf normalen Betrieb ausgerichtet. Die bei dem Schneechaos entstandenen armdicken Panzer aus Schnee und Eis hätten statische Probleme geschaffen, denen die Strommasten nicht standgehalten hätten und abgeknickt seien. Die RWE Westfalen-Weser-Ems investiere 450 Millionen Euro allein in diesem Jahr in technische Infrastruktur, von Sparen könne da keine Rede sein.
Weiterhin viele Unfälle
Unterdessen ist die Zahl der wetterbedingten Unfälle weiter gestiegen. Vom Beginn des Schneechaos bis heute Morgen registrierte die Polizei 2600 Unfälle mit 165 Verletzten. Dabei seien Sachschäden von rund sieben Millionen Euro entstanden. Heute hatte sich die Situation auf den Straßen und Schienen normalisiert. Lediglich im Kreis Coesfeld mussten am frühen Morgen noch einige Straßen gesperrt werden, weil Stromleitungen gefährlich durchhingen.
Wie die Deutsche Bahn am Morgen in Düsseldorf mitteilte, sind die Verbindungen Gronau - Burgsteinfurt und Wuppertal - Remscheid - Solingen heute weiterhin gesperrt. Auf den übrigen Strecken hat sich die Lage den Angaben zufolge "deutlich entspannt".