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Tatortreinigerin Rosalia Zelenka: "Gehirnreste im Kühlschrank"

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Tatortreinigerin Rosalia Zelenka "Aufgelöste Leichen sind nichts für mich"

Rosalia Zelenka macht sauber, wo andere sich nur mit Gasmaske aufhalten würden: an Tatorten. Im Interview beschreibt die Österreicherin, warum sie das glücklich macht und wieso Leichen gefährlich sein können.
Zur Person: Rosalia Zelenka
Foto: Franz Helmreich

Rosalia Zelenka wurde 1962 in Wien geboren. Sie machte eine Ausbildung zur Schriftsetzerin. Später sammelte sie Erfahrungen im Reinigungsgewerbe und bei der Sanierung von Gebäuden. Dabei stieß sie auf den Arbeitsbereich der Tatortreinigung. Den Job macht sie seit drei Jahren. Sie rückt fünf bis zehn Mal pro Monat zu Tatort-Einsätzen aus. Vor Kurzem erschien ihr Buch "Der Tod hat viele Gerüche".

SPIEGEL ONLINE: Frau Zelenka, Sie sagen, dass Ihre Arbeit als Tatortreinigerin Sie nicht nur schockiert, sondern auch glücklich macht. Warum glücklich?

Zelenka: Oft freuen sich die Angehörigen, dass ich da bin. Von manchen werde ich sogar zum Essen eingeladen. Ich versetze Tatorte in ihren ursprünglichen Zustand und gebe den Menschen so ein Stück Normalität zurück. Vor allem bei Suiziden empfinden Angehörige oft Verantwortungsgefühl und Scham. Schließlich gilt der Freitod als Kapitulation vor der Gesellschaft. Durch mich merken die Menschen, dass dies nicht notwendig ist.

SPIEGEL ONLINE: Welche Charaktereigenschaften braucht man für die Tatortreinigung?

Zelenka: Man sollte einfühlsam und nervenstark sein sowie eine feine Nase haben.

SPIEGEL ONLINE: Warum eine feine Nase?

Zelenka: Der Geruch erzählt viel darüber, was ich vor mir habe und wie ich bei der Reinigung vorgehen muss.

SPIEGEL ONLINE: Wie riechen Tatorte denn?

Zelenka: Frisches Blut riecht metallisch, nach Eisen. Außerdem mischen sich der Eigengeruch von Mensch und Umgebung darunter. Leichen, die schon länger an einem Tatort gelegen haben, riechen nach verdorbenem Fleisch. Manchmal kommt Fäkalgeruch dazu, weil die Menschen in der Todessituation nichts mehr zurückhalten können. Mein Mitarbeiter fragte mich einmal: "Merkst du das auch? Hier riecht es nach Leichen." Da waren wir schon lange nicht mehr am Tatort. Er hatte den Geruch noch in der Nase, weil unsere Schleimhäute und unser Gehirn ihn speichern.

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Berufe am Tatort: Dem Verbrechen auf der Spur

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SPIEGEL ONLINE: Wie sind Sie zu Ihrem Job gekommen?

Zelenka: Ich war lange in der Reinigungsbranche tätig. Dann kam irgendwann der erste Tatort, und ich begann, mich in die Thematik einzuarbeiten. Ich habe viel mit Gerichtsmedizinern gesprochen, Bücher zu Suizid und Mord gelesen, selbst mit Blut und Hirn vom Fleischer experimentiert und eine mikrobiologische Desinfektionsfortbildung gemacht. Tatortreinigung ist wahnsinnig vielfältig. Außerdem reizt mich, dass ich Ordnung schaffe, wo Unordnung herrscht - und zwar in vielen Belangen.

SPIEGEL ONLINE: Sie behaupten, Sie sind in Österreich die Einzige, die nach Mordfällen oder Suiziden eine professionelle Reinigung der Tatorte anbietet. Wer macht Ihre Arbeit, wenn Sie es nicht sind?

Zelenka: Teilweise werden Reinigungsfirmen beauftragt. Denen fehlt oft die Erfahrung, zu wissen, was sie alles falsch machen können.

SPIEGEL ONLINE: Was kann man denn falsch machen?

Zelenka: Wenn Menschen Krankheitserreger in sich tragen, können die nach dem Tod mit den Körperflüssigkeiten austreten und gefährlich für andere werden. Wischen reicht da nicht. Blut kann sich als Staubpartikel in Böden oder Wänden festsetzen. Dadurch bleiben Erreger für Krankheiten wie Milzbrand, Hepatitis oder TBC im Raum erhalten, noch lange nachdem die Leiche weggebracht wurde und der Raum scheinbar wieder sauber ist. Solche Böden müssen herausgerissen werden.

SPIEGEL ONLINE: Ist das nicht übertrieben?

Zelenka: Ist es gar nicht. Wenn eine Wohnung bei einem Wasserschaden geflutet wird, haben alle Angst vor Schimmel. Auch in Krankenhäusern ist es völlig normal, dass organisches Material als potenziell infektiös angesehen und deshalb sachgerecht entsorgt wird. Bei der Reinigung von Tatorten ist das oft nicht der Fall. Ich finde das sehr bedenklich.

SPIEGEL ONLINE: Sind diese Gefahren denn erwiesen?

Zelenka: Es gibt keine Zahlen. Bis es zu einer Infizierung kommt, kann der Zusammenhang gar nicht mehr direkt hergestellt werden. Manchmal tragen Menschen oder Tiere den Erreger auch erst einmal nur weiter. Aber Tatsache ist, dass Körperflüssigkeiten von Leichen Krankheitserreger übertragen. Ich habe es selbst erlebt: Nach der Räumung einer Messie-Wohnung mit einem Toten hatte ich plötzlich einen unangenehmen Pilz in Mund und Rachen.

SPIEGEL ONLINE: Warum gehen Sie mit Ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit?

Zelenka: Sie müssen sich Folgendes vorstellen: Angehörige stehen meist unter Schock. Die haben oft keine Berührungsängste mit den Körperteilen von Verstorbenen. Ich habe schon erlebt, wie eine junge Frau Gehirnreste ihres Vaters in einen Topf packte und in den Kühlschrank stellte. Ich möchte aufklären.

SPIEGEL ONLINE: Was war der Auslöser, ihre Erfahrungen in einem Buch niederzuschreiben?

Zelenka: Nachdem sich einige intensive Fälle angehäuft hatten, spürte ich eine große Anspannung. Man kann seiner Umgebung nicht zumuten, sich ständig darüber auszutauschen. Deshalb habe ich es aufgeschrieben. Für mich selbst. Das Buchprojekt kam erst später.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es Fälle, die Sie ablehnen würden?

Zelenka: Ich habe noch nie eine Leiche gesehen, und ich möchte das auch nicht. Ich ziehe meinen Hut vor Bestattern. Leichen, die teilweise schon aufgelöst sind, das ist nichts für mich.

Das Interview führte Verena Hölzl

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