Terrorprozess "Du wirst noch an mich denken"

Im Hamburger Terrorprozess hat eine der wichtigsten Zeuginnen von einem Gespräch berichtet, das sie 1999 mit dem späteren 9/11-Piloten Marwan al-Shehhi geführt hat. Er soll bereits zu diesem Zeitpunkt von den Attentatsplänen gesprochen haben. Über Einzelheiten der Unterhaltung war die Zeugin aber unsicher.

Hamburg - Angela D. schilderte einen Vorfall ("ein sehr seltsames Gespräch") aus dem Frühjahr 1999 in einer Hamburger Universitäts-Bibliothek, in der sie als Hilfskraft arbeitete. Marwan al-Shehhi sei dort auf sie zugekommen, habe sehr aufgeregt gewirkt und auf Amerika geschimpft: "'Amerika ist scheiße', sagte er, und dass Kinder sterben." Weiter hieß es in der Aussage: "'Du wirst noch an mich denken', sagte er zum Schluss." Auf Nachfrage des Richters bestätigte sie eine frühere Aussage, wonach der spätere Terrorpilot auch von "Tausenden von Toten" gesprochen habe.

Die Bibliothekarin sagte vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht, manche ihrer Erinnerungen könnten sich mit späteren Informationen aus Zeitungen und Fernsehen vermischt haben. Ihrer Aussage zufolge sagte Shehhi, dass er "da rüber fliegen" werde. Shehhi steuerte am 11. September 2001 ein entführtes Passagierflugzeug in einen der Türme des World Trade Center.

D. wurde zum vierten Mal in den Hamburger Terrorprozessen vernommen. Nach Ansicht der Ankläger in früheren Verfahren gilt ihre Aussage als Anhaltspunkt dafür, dass sich die Gruppe um Todespilot Mohammed Atta schon früh im Jahr 1999 mit Attentatsplanungen befasste. Gestern hatte der Chef des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, ausgesagt, nach nachrichtendienstlichen Erkenntnissen seien die Anschläge nicht in Deutschland geplant worden.

Den Schilderungen der 33 Jahre alten Zeugin zufolge waren Atta, al-Shehhi und andere Araber regelmäßig in der Computer-Fachbibliothek, weil dort zwei PCs mit kostenlosem Internetzugang standen, die die Gruppe benutzte. Einmal sei es beim Surfen im Internet zu einer heftigen Diskussion in einer fremden Sprache gekommen, von der sie nur das Wort "Amerika" verstanden habe. Ein anderes Mal habe sie festgestellt, dass die Männer arabische Internetseiten besucht hätten.

In dem Prozess steht der 30-jährige Mounir al-Motassadeq vor Gericht. Er war 2003 vom Oberlandesgericht wegen Beihilfe zum Mord in über 3000 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch auf und verwies den Fall nach Hamburg zurück.

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