Naturkatastrophe in den USA »Nichts, was in der direkten Linie dieses Tornados stand, steht noch«

Die Schneise der Verwüstung ist 365 Kilometer lang: Im US-Staat Kentucky geht nach dem Tornado die Suche nach Überlebenden weiter. Im Fokus: eine zerstörte Kerzenfabrik.
Aus den Schienen gehobener Zug im US-Staat Kentucky

Aus den Schienen gehobener Zug im US-Staat Kentucky

Foto: CHENEY ORR / REUTERS

Die Bilder wirken wie aus einem Hollywoodfilm. Doch für viele Menschen im Mittleren Westen und im Süden der USA sind sie derzeit nur allzu real. Nach der Tornado-Katastrophe dauert die Suche nach Vermissten in dem besonders schwer betroffenen Bundesstaat Kentucky an.

»Wir hoffen immer noch auf ein Wunder, dass wir mehr Menschen finden und die Zahl der Todesfälle hoffentlich geringer ist als erwartet«, sagte Kentuckys Gouverneur Andy Beshear am Sonntag (Ortszeit) bei einem Besuch in dem von Zerstörung gezeichneten Ort Mayfield.

Beshear ging weiterhin von Dutzenden Toten allein in Kentucky aus. Die genaue Zahl der Todesopfer, Verletzten und Vermissten sei aber unklar, sagte er. »Das Ausmaß der Verwüstung macht es einfach schwierig, konkrete Zahlen zu haben.«

Die Tornados hatten in der Nacht zu Samstag eine Kerzenfabrik in Mayfield dem Erdboden gleichgemacht, in der wegen der Weihnachtszeit rund um die Uhr gearbeitet wurde. Beshear sagte am Sonntag, man gehe wie am Vortag von 110 Menschen in der Fabrik aus, von denen nur rund 40 gerettet worden seien. »Das Unternehmen sagt derzeit, dass es andere Informationen hat, aber bis wir das überprüfen können, sind wir immer noch auf dem Stand von gestern.« Es ist laut US-Medien möglich, dass sich deutlich weniger Menschen in dem Gebäude aufhielten, als vorher angenommen.

Ruinen der Kerzenfabrik in Mayfield

Ruinen der Kerzenfabrik in Mayfield

Foto: TANNEN MAURY / EPA

Der Gouverneur fügte hinzu: »Ich bete dafür, dass die ursprünglichen Schätzungen über diejenigen, die wir verloren haben, vielleicht falsch waren. Wenn ja, wäre es ziemlich wunderbar, aber es ist noch viel zu früh.«

Auch andere Bundesstaaten betroffen

Beshear sagte mit Blick auf die befürchtete Zahl der Toten: »Das Beste, worauf wir hoffen können, sind 50. Aber ich denke, es wird deutlich schlimmer werden als das. Denken Sie daran, dass wir immer noch Leichen finden.« Der Gouverneur war am Samstagmorgen zunächst von mindestens 50 Toten ausgegangen. Am Sonntagmorgen rechnete er dann mit mehr als 80 und womöglich sogar mehr als hundert Todesopfern. Offiziell bestätigt waren diese Zahlen aber nicht. Beshear betonte bei der Pressekonferenz am Sonntag, der Ausfall von Handynetzen erschwere die Suche nach Vermissten zusätzlich.

Auch in anderen Bundesstaaten kostete das Sturmsystem mehrere Menschen das Leben. CNN berichtete von insgesamt mehr als 30 Tornados in Kentucky, Mississippi, Missouri, Arkansas, Illinois und Tennessee. Bis das volle Ausmaß der Katastrophe bekannt wird, dürften Tage vergehen. Nach Angaben Beshears schlug ein Tornado über eine Strecke von 227 Meilen (365 Kilometer) eine Schneise der Verwüstung, 200 Meilen davon in Kentucky. »Nichts, was in der direkten Linie dieses Tornados stand, steht noch«, sagte der Gouverneur.

Besuch des Präsidenten muss noch warten

Für die USA ist es die jüngste einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen. Allein in diesem Jahr hatte es zuvor schon zahlreiche Stürme, Überflutungen und Waldbrände gegeben. US-Präsident Joe Biden sieht in der Häufung und Heftigkeit der Katastrophen eine Folge des Klimawandels, dessen Bekämpfung er zu einer seiner höchsten Prioritäten gemacht hat.

Beshear dankte Bidens Regierung und zahlreichen Unterstützern aus den ganzen USA für ihre Hilfe. »Wir sind dankbar für die große Liebe, die uns entgegengebracht wird.« Biden hat einen Besuch im Katastrophengebiet in Kentucky in Aussicht gestellt, sobald er die Rettungsoperationen nicht mehr behindere.

jok/dpa
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