Regierung will Transsexuellen-Gesetz ändern, das sagen Betroffene
Dieser Beitrag wurde am 10.05.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Die Regierung will das Transsexuellengesetz ändern. Der von Buzzfeed" veröffentlichte Entwurf von Justiz- und Innenministerium umfasst 31 Seiten voller Neuregelungen. Schon an diesem Freitag sollen Fachverbände und Parteien ihre Stellungnahmen dazu einreichen – spätestens.
Entweder Mann oder Frau, dazwischen oder daneben gibt es eigentlich nichts, so steht es bisher im Transsexuellengesetz, kurz TSG. Das Gesetz ermöglicht seit 1981 Angleichungen an eine von zwei Optionen. Mehr nicht. Bis heute gibt es viele Hürden, unter anderem muss ein Amtsarzt ein Gutachten schreiben.
Das Bundesverfassungsgericht hat schon mehrfach Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt und eine dritte Option neben Mann und Frau gefordert. Jetzt soll das Gesetz endlich reformiert werden. Wirklich durchdacht wirken die Pläne der Regierung aber nicht.
Wir haben uns den Gesetzentwurf mit Betroffenen zusammen angesehen.
Was steht im Gesetzesentwurf?
- Künftig sollen Änderungen des Geschlechtseintrags in der Geburtsurkunde erst nach drei Jahren neu beantragt werden können. Viele Betroffene finden das willkürlich und warnen vor den Folgen bei möglichen Fehlentscheidungen.
- Namens- oder Geschlechtseinträge sollen weiterhin nur vor Gericht geändert werden können und nicht beim Standesamt. Außerdem sollen Ehepartnerinnen und -partner künftig angehört werden. Betroffene fürchten, dass so ein Veto-Recht mit Erpressungspotential entstehen könnte.
- Der neue Entwurf will Inter- und Transsexuelle per Definition unterscheiden. Kritikerinnen sagen, dass das in der Praxis jedoch neue Probleme schafft und nicht alle Menschen erfasst.
Die 30-jährige trans Frau hat sich in den vergangenen zwei Tagen ausführlich damit beschäftigt. Sie fürchtet: "Eine Ablehnung könnte durch die neue Sperrfrist von drei Jahren dazu führen, dass Betroffene ganz die Hoffnung verlieren und sich das Leben nehmen."
Maya, 30
Vor allem die neue Sperrfrist für Änderungen hält Maya für eine Gefahr. Schon heute seien die Verfahren für viele Betroffene extrem langwierig, teuer und emotional belastend. "Das ganze Transsexuellengesetz ist von Misstrauen geprägt. Es geht nicht darum zu helfen, sondern möglichst viele Änderungen zu verhindern", sagt sie und verweist auf Studien über das erhöhte Suizid-Risiko von transsexuellen Menschen.
Noch immer sollen Ärzte die Betroffenen beurteilen.
Auch Rick, 22, findet den Entwurf gefährlich. Wie Maya ist auch er ist trans. Das aktuelle Transsexuellengesetz findet er wie viele andere Betroffene rückständig. Seit Jahren fordern Verbände seine Abschaffung. Doch mit welchem Tempo das Gesetz jetzt geändert werden soll, irritiert viele.
Rick findet es fatal, wie im auch im neuen Gesetz über betroffene Menschen gesprochen wird.
Rick, 22, Illustrator und Autor
Auch für ihn persönlich könnte die geplanten Änderung Folgen haben, fürchtet Rick. Erst vor wenigen Tagen ließ er seinen Namen und den Geschlechtseintrag amtlich ändern. Ohne Gutachten, stundenlange Gespräche oder jahrelanges Warten. Möglich wurde das durch die sogenannte "Dritte Option", die im vergangenen Jahr eingeführt wurde. Sie soll, so war es geplant, eigentlich intersexuellen Menschen die Möglichkeit geben, ein Geschlecht anzugeben, das nicht zwangsweise männlich oder weiblich sein muss. (bento)
Doch das Gesetz dazu enthält Schlupflöcher, die inzwischen auch von Menschen wie Rick erkannt und genutzt werden. Denn anders als beim Transsexuellengesetz reicht hier schon ein einfaches Attest, das auch Hausärzte ausstellen können.
Rick zahlte dafür 17 Euro. Dafür bestätigte ihm seine Ärztin eine "Abweichung in der Geschlechtsentwicklung", was rechtlich vermutlich völlig legal ist. Mit diesem Dokument konnte Rick auf dem Standesamt seine Geburtsurkunde ändern. Der Verwaltungsakt dauerte keine Stunde. Seitdem hat Rick einen neuen amtlichen Namen und eine geänderte Geschlechtsangabe. Für die Beamten sei es nicht der erste derartige Fall gewesen, sagt Rick. Niemand habe ihm Probleme gemacht.
Droht den Behörden wirklich das Gender-Chaos?
Genau das, fürchten Kritikerinnen, könnte der Grund sein, weshalb im Bundesinnnen- und -Justizministerium so hastig an einem neuen Transsexuellengesetz gearbeitet worden sei. Dem CSU-geführten Innenministerium sei es ein Dorn im Auge, wenn Menschen ohne größere Hürden ihre Geschlechtsangaben ändern könnten, meint Maya.
Tatsächlich verweist der Gesetzesentwurf auf das "öffentliche Interesse an der Validität der Eintragungen" auf den Standesämtern (SPIEGEL). Die Standesbeamten erhielten sogar ein Rundschreiben aus dem Innenministerium, das sie vor der Nutzung der dritten Option bei Transsexuellen warnt (Queer). Offensichtlich will die Bundesregierung die neue Möglichkeit jetzt wieder einschränken.
Flapsig gesagt, fürchtet der Staat also ein Gender- und Namenschaos bei den Behörden. Dabei sei das abwegig, finden sowohl Maya als auch Rick. Niemand ändere zum Spaß diese Angaben. Und die Zahl der betroffenen Menschen sei überschaubar. In anderen Ländern habe man das bereits erkannt und aus der Änderung eine Formalie auf dem Standesamt gemacht, was auch die Gerichte freue.
"Es wäre ja schön, wenn Transpersonen sonst keine Probleme hätten", sagt Rick, der seine Erfahrungen seit einiger Zeit in einem Podcast verarbeitet.
Rick, 22
Um die Hauruck-Änderung des Transsexuellengesetzes noch zu verhindern, haben Betroffene inzwischen eine Petition im Internet gestartet. Rick hat sie bereits unterschrieben.