Trauerfeier in Lathen "Wir sind tief betroffen und leiden mit"

Schmerz, Fassungslosigkeit, Existenzängste - das Transrapid-Unglück im emsländischen Lathen hat auch das Leben der Hinterbliebenen binnen Sekunden zerrissen. Bei einer Trauerfeier nahmen Angehörige, Freunde und Politiker Abschied von den 23 Toten.

Lathen - "Da sind vier Kinder unter uns, die ihre Eltern verloren haben. Da sind Menschen, die ihre Kollegen verloren haben. Der Tod über sie gekommen, hat unterschiedslos Ehepartner, Mütter und Väter ihren Liebsten entrissen", sagte Christian Wulff, Ministerpräsident von Niedersachsen, in seiner Ansprache. "Sie sind urplötzlich aus der Mitte des Lebens gerissen worden. Und jeder, der die Bilder gesehen hat - besonders hier in Lathen - weiß: Es hätte auch mich treffen können. Wir sind tief betroffen und leiden mit den Opfern und Hinterbliebenen."

Zuvor verlas Wulff die Namen der 23 Todesopfer. Er sprach den Angehörigen das Beileid der Landesregierung und "aller Menschen im In- und Ausland" aus. Das Unglück habe "Schmerz, Leid, Fassungslosigkeit und Existenzängste hinterlassen", so Wulff weiter. Er versprach den Angehörigen finanzielle und moralische Hilfe. Wulff beschrieb die Hilflosigkeit, die immer zurück zur Frage führe: Wie konnte das passieren? Eine Antwort haben die Ermittler bislang nicht gefunden. Das Engagement der Rettungsmannschaften lobte Wulff ausdrücklich. Einige der Einsatzkräfte mussten bei den Rettungsarbeiten ihnen bekannten Menschen aus den Trümmern bergen.

"Wir mussten die bittere Erfahrung machen, wie schnell sich die Technik auch gegen uns wenden kann. So fehlbar, wie wir Menschen sind, so fehlbar ist auch die Technik", sagte Wulff vor den rund 600 Trauergästen.

An dem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Vitus nahmen auch Bundespräsident Horst Köhler und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der Vorsitzende des Parlamentarischen Gesprächskreises Transrapid, Hans Eichel (SPD), sowie zahlreiche Landesminister teil. Die evangelische Regionalbischöfin Doris Janssen-Reschke hielt gemeinsam mit Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode eine Predigt.

Vor Beginn der Trauerfeier sprach Köhler den Angehörigen seine Anteilnahme aus. Der Gottesdienst wurde per Lautsprecher auf den Platz vor der Kirche übertragen. Vor dem Altar lagen zahlreiche Blumenkränze. Geschäfte in Lathen blieben geschlossen. Wann die Begräbnisse stattfinden, ist noch unklar.

Bei dem Unglück waren am Freitag 23 Menschen im Alter zwischen 40 und 66 Jahren ums Leben gekommen. Zehn Menschen wurden verletzt.

Politischer Streit dauert an

Der Streit über die Sicherheit des Transrapids geht auch heute weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält weiter am Projekt der Magnetschwebebahn fest. "Wenn sich erhärtet, dass menschliches Versagen die Ursache des Unglücks war, führt dies nicht zum Aus der Technologie der Magnetschwebebahn", sagte sie der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse".

Auch Verkehrsminister Tiefensee warnte vor vorschnellen Urteilen über die Sicherheit des Transrapids. "Gegner des Transrapid nutzen das schreckliche Unglück, um die Technologie schlecht zu reden. Wir wissen aber noch nicht, was genau den Unfall im Emsland ausgelöst hat", sagte er der Zeitung "Die Welt". Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es "keinen Grund, den Transrapid zu verteufeln". Es müsse abgewartet werden, ob nach dem Abschluss der Untersuchungen die Technologie im Ganzen in Frage gestellt werden müsse. Zuvor hatte der Geschäftsführer der Transrapid-Betreibergesellschaft IAGB, Rudolf Schwarz, erklärt, in Lathen sei bewusst auf zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen verzichtet worden.

Dem vor ein bis zwei Jahren geäußerten Wunsch der Lathener Mitarbeiter, auch die Sonderfahrzeuge in ein integriertes Sicherheitskonzept einzubeziehen, sei nicht gefolgt worden. Es sei derzeit nicht klar, wer zum fraglichen Zeitpunkt Inhaber der Betriebserlaubnis für die Teststrecke gewesen sei. Die jetzige Betreibergesellschaft habe damals nur ein Vorschlagsrecht gehabt.

Den Verantwortlichen für die Versuchsanlage drohen auch Entschädigungsklagen von Opfern und Angehörigen, die eine Berliner Kanzlei eingeschaltet haben. Es sei unklar, warum auf der Strecke heute mögliche Sicherheitsvorkehrungen nicht eingesetzt wurden, sagte Rechtsanwalt Walter Bergmann. Seine Kanzlei vertritt nach eigenen Angaben mehrere Geschädigte des Unglücks. Die Anwälte wollen parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eigene Untersuchungen anstrengen.

Auf dem Spendenkonto für die Hinterbliebenen des Transrapid-Unglücks gingen nach Angaben des Landkreises Emsland bis Dienstag rund 200.000 Euro ein. Zu den größten Spendern gehöre neben den Konzernen RWE und ThyssenKrupp sowie der Betreibergesellschaft IABG auch der Landkreis selbst, sagte Kreissprecher Dieter Sturm. Es hätten aber auch viele Privatpersonen Geld eingezahlt.

han/ddp/dpa/AP

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren