Bischof über katholische Sexualethik "Ich fürchte, das versteht niemand mehr"

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat sich für eine neue Sexualethik der katholischen Kirche ausgesprochen. Es sei nicht mehr haltbar, jede Form von Sex vor der Ehe als schwere Sünde zu bewerten. Auch Homosexualität dürfe man nicht einfach als "widernatürlich" bezeichnen.
Trierer Bischof Ackermann (im Oktober bei Günther Jauch): "Wir werden da Vorschläge machen"

Trierer Bischof Ackermann (im Oktober bei Günther Jauch): "Wir werden da Vorschläge machen"

Foto: Paul Zinken/ dpa

Trier - Mit ungewöhnlich liberalen Positionen zur kirchlichen Morallehre hat der Trierer Bischof Stephan Ackermann in einem Zeitungsinterview auf sich aufmerksam gemacht. So sei es nicht mehr haltbar, jede Art von vorehelichem Sex als schwere Sünde zu bewerten, sagte er der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" . "Wir müssen das Verantwortungsbewusstsein der Menschen stärken, ihre Gewissensentscheidung dann aber auch respektieren." Es gehe nicht an, dass es "nur das Ideal auf der einen und die Verurteilung auf der anderen Seite gibt".

Ackermann zufolge sei es auch nicht mehr zeitgemäß, eine neue Ehe nach einer Scheidung als dauernde Todsünde anzusehen und Wiederverheiratete von den Sakramenten auszuschließen. "Wir werden da Vorschläge machen", sagte der Bischof.

Die kürzlich ausgewertete Umfrage des Vatikans unter katholischen Gläubigen habe ergeben, dass die Morallehre der katholischen Kirche überwiegend als "Verbotsmoral" und "lebensfern" angesehen werde. "Wir können die katholische Lehre nicht völlig verändern, aber Kriterien erarbeiten, anhand derer wir sagen: In diesem und diesem konkreten Fall ist es verantwortbar."

So sagte Ackermann zur Unterscheidung nach natürlicher und künstlicher Verhütung, diese sei "auch irgendwie künstlich. Ich fürchte, das versteht niemand mehr."

Beim Thema Homosexualität sprach sich Ackermann dafür aus, an das Verantwortungsgefühl des Einzelnen zu appellieren. "Wir dürfen nicht einfach sagen, Homosexualität sei widernatürlich", sagte er. Sie dürfe aber nicht in Promiskuität und Triebbefriedigung ausgelebt werden.

Stephan Ackermann ist seit 2009 Bischof von Trier. Im Jahr 2010 ernannte ihn die Deutsche Bischofskonferenz zum Missbrauchsbeauftragten der Katholischen Kirche.

rls/dpa
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