Missbrauchsprozess in der Türkei Mädchen mit sechs Jahren verheiratet – Ehemann droht lange Haftstrafe

Protest gegen Kinderbräute in Ankara (Symbolbild)
Foto: Burhan Ozbilici/ ASSOCIATED PRESSIn der Türkei hat der Prozess um die mutmaßliche Zwangsverheiratung einer Sechsjährigen vor fast 20 Jahren begonnen. Der Auftakt fand am Montag in Istanbul unter großer medialer Aufmerksamkeit statt.
Angeklagt sind die Eltern und der Ex-Ehemann der heute Erwachsenen. Allen dreien wird Kindesmissbrauch vorgeworfen, der Ex-Mann wird zudem der sexuellen Nötigung beschuldigt, wie die Tageszeitung »Hürriyet« unter Berufung auf die Anklageschrift berichtete. Ende 2020 hatte das mutmaßliche Opfer Klage eingereicht.
Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich Frauenrechtlerinnen verschiedener Organisationen versammelt, um die systematische Vergewaltigung von Minderjährigen und die Vertuschung der Taten durch offizielle Institutionen anzuprangern. Vertreterinnen des Familienministeriums, politischer Parteien und Frauen- und Kinderrechtsorganisationen verfolgten gespannt die Anhörung.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater – dem Gründer der einflussreichen islamischen Hiranur-Stiftung – vor, seine Tochter im Jahr 2004 mittels islamischer Trauung mit einem 29-Jährigen verheiratet zu haben. Die beiden seien auch standesamtlich getraut worden, nachdem die Klägerin die Volljährigkeit erreicht hatte. Dem Ex-Ehemann drohen »Hürriyet« zufolge mehr als 67 Jahre, den Eltern mehr als 22 Jahre Gefängnis. Die Angeklagten befinden sich in Untersuchungshaft.
Ein Journalist der oppositionellen Zeitung »Birgün « hatte den Fall öffentlich gemacht, der zu großer Empörung in der Türkei führte. Er befeuerte auch die Diskussion um den Einfluss islamischer Orden in der Türkei. »Birgün« zufolge war bereits im Jahr 2012 ein Arzt auf den mutmaßlichen Missbrauch aufmerksam geworden und soll die Behörden verständigt haben. Zu einer Strafverfolgung sei es aber nicht gekommen. Die Staatsanwaltschaft habe nun auch Beschwerde gegen die damals ermittelnden Behörden eingereicht.