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Kölner Stadtarchiv: Pfusch, Wut, Trauer

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U-Bahn-Pfusch Bilfinger Berger setzt Expertenkommission ein

Bauprojekte und Schwachstellen sollen untersucht werden: Bilfinger Berger will die Pfusch-Vorwürfe auf seinen Baustellen von unabhängigen Experten prüfen lassen. Die Kölner Verkehrsbetriebe haben indes Fehler bei der Überwachung des U-Bahn-Baus eingeräumt.

Mannheim - "Wir sind dabei, umfassend und schonungslos aufzuklären", sagte Vorstandschef Herbert Bodner am Montag in Mannheim. Dem Unternehmen werden Mängel beim Bau von U-Bahn-Tunneln in Köln und Düsseldorf sowie einer ICE-Bahnstrecke in Bayern vorgeworfen.

Bodner sprach von einem Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter, das zu einem "Reputationsverlust" geführt habe. Der Konzern setze daher zwei Expertenkommissionen ein. Eine Gruppe solle laufende Spezialbauprojekte und abgeschlossene Projekte auf Qualitätsmängel prüfen. Eine zweite Gruppe solle mögliche Schwachstellen im Qualitätsmanagement aufdecken und beseitigen. Die Kommissionen agierten unabhängig, die Leitung obliege den Bauexperten Claus Jürgen Diederichs sowie Jürgen Schnell.

Bei den U-Bahnen in Köln und Düsseldorf wurde weniger Material als nötig verbaut - mehrere zur Verstärkung des Betons vorgesehene Stahlteile wurden stattdessen als Schrott verkauft. Auch Messprotokolle sollen gefälscht worden sein. Beim Bau der Schnellbahnstrecke von Nürnberg nach Ingolstadt soll es ebenfalls zu Pfusch beim Bau von Erdwällen gekommen sein. In allen drei Fällen haben sich die Staatsanwaltschaften eingeschaltet.

Im Zentrum der Pfusch-Vorwürfe steht der Neubau der Kölner U-Bahn. Vor rund einem Jahr stürzte das Kölner Stadtarchiv ein, zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Während die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen dies in Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau stellte, weist Bilfinger Berger jede Verantwortung für den Einsturz zurück.

"In hohem Maße rufschädigend"

"Nach heutigem Kenntnisstand spielen weder fehlende Schubhaken noch fehlerhafte Vermessungsprotokolle beim Einsturz des Stadtarchivs im vergangenen Jahr eine Rolle", sagte Bodner. Er wandte sich dagegen, trotz unklarer Faktenlage bereits öffentliche Schuldzuweisungen vorzunehmen. "Das ist in hohem Maße verantwortungslos und rufschädigend."

Auch die Staatsanwaltschaft sehe keine Anzeichen für einen Zusammenhang, sagte der Bilfinger-Chef. Wegen des Verdachts der Fälschung technischer Aufzeichnungen und Betrugs werde dennoch ermittelt, unter anderem gegen Mitarbeiter von Bilfinger Berger.

Das Unternehmen habe bisher keine Akteneinsicht. Im Zusammenhang mit möglichem Pfusch seien inzwischen vier Mitarbeiter freigestellt worden, einem Polier sei gekündigt worden. Die Vorgänge in Köln, Düsseldorf und Bayern machten ihn betroffen, sagte Vorstandschef Bodner, der sich Mitte kommenden Jahres in den Ruhestand verabschieden will. "Immerhin müssen wir davon ausgehen, dass langjährige, ordentlich bezahlte Mitarbeiter vorsätzlich technische Unterlagen gefälscht und Bewehrungsteile nicht eingebaut haben", sagte der 62-jährige.

KVB räumt Fehler ein

Bodner wies aber auch darauf hin, dass Vermessungsprotokolle in den Kölner Baunormen nicht zwingend vorgeschrieben seien und fehlende Metallhaken bei der Baubewehrung für Schlitzwände keine Gefahr darstellten. Es sei eine Diffamierung, wenn eine ganze Branche aufgrund des Fehlverhaltens einzelner pauschal verurteilt oder als Kriminelle beschimpft würden, betonte Bodner. Persönlich sei er jedoch nicht für die Bauprojekte verantwortlich. "Den Vorwurf, ich hätte mich nicht gekümmert, halte ich nicht für gerechtfertigt", sagte Bodner.

Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) haben indes Fehler bei der Überwachung des U-Bahn-Baus eingeräumt. Dies gehe aus den bisherigen Untersuchungen hervor, sagte der von der KVB beauftragte Baurechts-Anwalt Gero Walter am Montagabend in Köln. Demnach habe die KVB den Einbau von Eisenbügeln sowie Betonierungsprotokolle nicht ausreichend kontrolliert. Dass in der Baugrube vor dem Archiv zu viel Grundwasser abgepumpt wurde, liege in der Verantwortung der Baufirmen. Ob die KVB davon wusste, sei unklar.

Im Zusammenhang mit Vorwürfen wegen des Archiv-Einsturzes beschloss der KVB-Aufsichtsrat die Trennung von Technik-Vorstand Walter Reinarz. Der Aufsichtsratsvorsitzende Wilfried Kuckelkorn sagte, das Gremium habe ihn beauftragt, mit Reinarz über einen einvernehmlichen Auflösungsvertrag zu verhandeln. Dieser könne aus aktienrechtlichen Gründen nicht einfach abberufen werden. Denn zurzeit gebe es keine ausreichenden Beweise, um Reinarz ein Verschulden nachzuweisen. Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) hatte Reinarz am Jahrestag des Stadtarchiv-Einsturzes vergangene Woche öffentlich kritisiert und ihm das Vertrauen entzogen.

han/apn/Reuters/dpa
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