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Schneefront "Petra" über Deutschland: Alles auf weiß

Foto: Friso Gentsch/ dpa

Unterrichtsausfall im Winter So funktioniert Schneefrei

Tief "Petra" sorgte bei Eltern schulpflichtiger Kinder für Verwirrung - in einigen Bundesländern wurde wegen des zu erwartenden Winterchaos der Unterricht spontan abgesagt. Aber wer entscheidet eigentlich wann über Schneefrei? Eine Übersicht zeigt, wie die Verantwortlichen vorgehen.

Hamburg - Wer in den siebziger Jahren zur Schule ging, der erinnert sich noch: An den Jahrhundertwinter 1978/79, als das ganze Land monatelang unter einer dicken Schneedecke versank. In Norddeutschland kam es damals sogar zu einer Kältekatastrophe: Verkehrswege waren blockiert, Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten, Strom- und Telefonnetze brachen zusammen.

Schulunterricht? Daran war gar nicht zu nicht zu denken.

Die Schulkinder von damals sind heute selbst Eltern - und jetzt werden sie mit dem Thema Schneefrei konfrontiert. Und nicht selten sind sie verwirrt, so auch am Donnerstagmorgen. Da wurde etwa in Hamburg spontan der Schulbetrieb abgesagt, obwohl das Schneetreiben erst Stunden später richtig einsetzte. Viele Eltern waren kurz vor dem Aufbruch zur Arbeit gezwungen, die Betreuung ihrer Kinder zu organisieren, was für erheblichen Unmut sorgte.

Aber wer entscheidet eigentlich, ob der Schulunterricht ausfällt - und wann? Wie weit im Vorfeld wird das Schneefrei angekündigt? Werden die Kinder auch betreut, wenn kein Unterricht stattfindet?

SPIEGEL ONLINE hat bei den Kultusministerien verschiedener Bundesländer nachgefragt, welche Maßnahmen bei Winterwetter greifen.

Bayern -im Notfall sind die Lehrer in den Schulen;

In Bayern entscheiden sogenannte lokale Koordinierungsgruppen, ob Unterricht ausfällt. Dabei stimmen sich die Leitung des Staatlichen Schulamts und die Leiter der einzelnen Schulen ab. Ihre Einzelentscheidungen werden in einer zentralen Datenbank des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gesammelt, das Ministerium gibt die Informationen an die Radiosender weiter.

Schülern und Eltern wird daher empfohlen, bei starkem Schneefall den Bayerischen Rundfunk, Antenne Bayern oder einen lokalen Radiosender zu hören. Für Schüler, die dennoch im Schulgebäude eintreffen, sind immer Lehrer da - die haben in Bayern nämlich nicht automatisch schulfrei.

NRW - die Eltern entscheiden

In Nordrhein-Westfalen entscheiden die Eltern, ob sie ihre Kinder bei Eis und Schnee in die Schule schicken wollen. Grundlage dafür ist der "Schulversäumnis"-Erlass aus dem Jahr 1980. Darin heißt es: "Ein zwingender Grund für ein Schulversäumnis kann auch der plötzliche Eintritt extremer Witterungsverhältnisse sein."

Darüber hinaus können auch die Schulleiter oder Landräte bestimmen, dass der Unterricht ausfällt. "Sie tun das im eigenen Ermessen. Die entscheidende Frage ist dabei, ob die Kinder sicher zur Schule und wieder nach Hause kommen können", sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums in Düsseldorf. Prognosen von Meteorologen müssten dazu nicht eigens eingeholt werden. Der gesunde Menschenverstand genüge.

Mecklenburg-Vorpommern - oft eine regionale Entscheidung

Das Bildungsministerium in Mecklenburg-Vorpommern hat beim ersten Schnee Anfang Dezember, als der Schulbusverkehr auf Rügen eingestellt werden musste und es in weiteren Landkreisen zu Unregelmäßigkeiten kam, eine generelle Leitlinie zum Umgang mit schneefrei herausgegeben. "Ein landesweiter Unterrichtsausfall gilt nur dann, wenn alle Landesteile von extremen Wetterbedingungen betroffen sind und kein sicherer Schülerverkehr mehr gewährleistet werden kann", heißt es darin.

Das Ministerium für Bildung treffe diese Entscheidung in Abstimmung mit dem für Inneres. "Dort laufen alle Informationen der Lagezentren der Polizei zusammen", führte Johanna Hermann, Sprecherin beim Bildungsministerium in Schwerin, aus. "Wenn die Lagezentren katastrophale Straßenverhältnisse melden, handeln wir entsprechend." Dies werde dann über Medien wie den NDR oder Antenne MV, aber auch auf der Website des Ministeriums veröffentlicht. Zuletzt wurde im Februar 2010 landesweit schneefrei gegeben.

In den meisten Fällen sei es jedoch eine regionale Entscheidung. "Die Ankündigung geht von den Landkreisen aus", so Hermann. Darüber informierten die Schulen oder die Kreisverwaltungen. Ein solcher Fall könnte am Freitag eintreten: Für Ostvorpommern wurden 10 bis 20 Zentimeter Neuschnee angesagt.

"Letztlich liegt die Entscheidung jedoch bei den Eltern. Wenn ihnen die Straßen zu glatt und zu gefährlich erscheinen, können sie das Kind zu Hause behalten", sagt Hermann. Die Kinder und Jugendlichen, die zur Schule gehen, stehen in Mecklenburg-Vorpommern jedoch nie vor verschlossenen Türen. Die Schulen sind grundsätzlich geöffnet, die Kinder werden betreut. Bei ausreichender Schülerzahl findet Unterricht statt.

Schleswig-Holstein - lange Wege für die Schüler

"Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht", sagt Patricia Zimnik, eine Sprecherin des Bildungsministeriums Schleswig-Holstein. "Wir reagieren natürlich nur auf aktuelle Prognosen der seriösen Wetterdienste. Mit den Experten im Lagezentrum der Polizei sammeln wir alle Informationen zu Wetter und Verkehr im Land und treffen auf dieser Basis eine gemeinsame Entscheidung."

Wenn wie im Fall des Tiefs "Petra" massive Schneefälle im ganzen Land angekündigt würden, und das vor allem in den Morgenstunden, wo Tausende Schüler unterwegs sind, sei dies "sehr ernst zu nehmen". "Sie dürfen nicht vergessen, dass bei uns auf dem Land die Kinder teilweise eine Stunde unterwegs sind", sagt Zimnik. Die Gefahr, in Schneewehen steckenzubleiben oder bei Glatteis gegen einen der zahlreichen Alleebäume zu fahren, sei groß.

"Die Position der Polizei ist in einer solchen Situation vollkommen eindeutig: Je weniger Verkehr auf den Straßen, desto sicherer." Abgesehen davon seien viele Schulbusunternehmer nicht gewillt, bei so extremen Witterungsbedingungen die Verantwortung für Dutzende Kinder zu übernehmen und würden den Verkehr ohnehin einstellen. Das Ministerium habe großes Verständnis für berufstätige Eltern eines oder mehrerer Kinder, die jetzt gezwungen seien, eine Ersatzbetreuung zu organisieren. Aber: "Unserer Priorität ist immer die Sicherheit der Kinder."

Ob eine Differenzierung zwischen stärker und weniger betroffenen Regionen Sinn mache, man also zum Beispiel in Kiel schneefrei geben, die Lübecker Kinder aber in die Schule schicken solle? Nein, sagt Zimnik, dies würde nur zu Verwirrung bei den Eltern führen und keine Planbarkeit garantieren. Auch einen Rückzieher des Ministeriums bei nicht eingetroffenen Wetterprognosen ist demnach unmöglich: "Wenn der Ball einmal rollt, ist er nicht mehr aufzuhalten."

Hamburg - im Zweifel wird kurzfristig entschieden

Während in Schleswig-Holstein bereits am Mittwochabend um 19:30 Uhr auf der Internetseite des Bildungsministeriums zu lesen war, dass am Donnerstag die Schule ausfallen würde, hat die Schulbehörde in Hamburg mit dem Entschluss bis zum frühen Morgen gewartet.

Erst als der Deutsche Wetterdienst gegen fünf Uhr erneut eine Unwetterwarnung herausgab, traf die Behörde die Entscheidung, den Schülern schneefrei zu geben. "Wir wollen den Unterricht natürlich nicht grundlos ausfallen lassen", sagt Jasmin Eisenhut, Sprecherin der Behörde für Schule und Berufsbildung. "Deshalb haben wir lieber etwas länger gewartet."

Wetterprognosen am Vorabend seien einfach zu unsicher, darauf habe man sich nicht verlassen wollen. Als heute früh aber weiter vor starken Schneefällen und Glätte gewarnt wurde, sei den Verantwortlichen klar geworden: Der Schulweg könnte eine Gefahr darstellen. "Und Sicherheit geht nun mal vor", so Eisenhut.

Die Konsequenz für den heutigen Donnerstag: schneefrei an allen Hamburger Schulen, ausgenommen vom Unterrichtsausfall sind nur die Oberstufen und die beruflichen Schulen.

Um Schüler und Eltern darüber zu informieren, hat die Behörde die Nachricht ab fünf Uhr über das Radio verbreiten lassen. "Das ist zu wenig und viel zu kurzfristig", findet Britta Höpermann, berufstätige Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern. Sie hat die Meldung nur bruchstückhaft mitbekommen und wollte sich anschließend im Internet informieren. Gegen 6:30 Uhr habe sie jedoch auf den Seiten der Behörde überhaupt keine Information dazu gefunden, sagt Höpermann. Schließlich erfuhr sie die Details per Telefonkette, die die Klassenlehrerin gestartet hatte.

"Ich kann es nicht nachvollziehen, dass bei dem bisschen Schnee die Schule ausfällt", sagt Britta Höpermann. Sie hat sich nun spontan frei genommen, um ihre Kinder am Vormittag zu betreuen. Zwar sind in Hamburg alle Schulen geöffnet, damit Kinder von Berufstätigen nicht vor verschlossenen Türen stehen. Doch in der Schule zu sitzen ohne Unterricht, das erschien auch einigen Kindern sinnlos.

Wann in Hamburg das letzte Mal die Schule wegen extremen Winterwetters ausgefallen ist, konnte in der Schulbehörde niemand beantworten. "Es muss Jahre, wenn nicht Jahrzehnte her sein", sagt Sprecherin Jasmin Eisenhut. Beraten werden die verantwortlichen Behördenmitarbeiter von der Verkehrsleitzentrale der Polizei, die sich bei ihrem Empfehlungen an den Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes orientiert.

Niedersachsen - selten landesweites Schneefrei

Ob Schüler in Niedersachsen schneefrei bekommen, hängt von den Straßenverhältnissen vor Ort ab. Jeder Landkreis entscheidet gesondert, ob ein sicherer Schulweg gewährleistet ist. Zudem kann es passieren, dass Grundschüler, die Sekundarstufe I (bis zur 10. Klasse), die Oberstufe und Berufsschüler unterschiedlich behandelt werden. Am heutigen Donnerstag durften sich Schüler unter anderem in den Landkreisen Peine und Osnabrück über Schulausfall freuen, sowie in den Städten Lüneburg, Nienburg und Wolfenbüttel.

Was zunächst nach einer äußerst verwirrenden Handhabung klingt, hat sich aus der Sicht des niedersächsischen Kultusministeriums über Jahre bewährt. "Zwischen Ostfriesland und dem Harz herrschen oft sehr unterschiedliche Wetterbedingungen." Es mache keinen Sinn, eine landesweite Entscheidung zu treffen. "Uns geht es nicht um pauschale Regelungen, sondern darum, dass die Schüler heil zur Schule und nach Hause kommen", sagte Corinna Fischer, Pressesprecherin der obersten Schulbehörde Niedersachsens. Zudem könnten Eltern ihre Kinder auch bei Schulausfall wegen Schnee und Eis in die Schule bringen, überall werde die Betreuung organisiert.

Sachsen - der Notdienst hilft den Eltern

In Sachsen haben die Schüler am Donnerstag und am Freitag schulfrei. "Die unwetterbedingten Verkehrsbeeinträchtigungen machen momentan einen geordneten Schulbetrieb unmöglich", teilte die Sächsische Bildungsagentur mit. Es gehe in erster Linie um die Sicherheit der Kinder und Lehrer.

Aber nicht im kompletten Freistaat fällt der Unterricht aus, sondern in den Regionen Erzgebirgskreis, Landkreis Mittelsachsen, Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Vogtlandkreis, Landkreis Zwickau und in der Stadt Chemnitz.

Allerdings gibt es an allen Schulen einen Notdienst, der die Schüler, die dennoch erscheinen, beaufsichtigt.

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