
Valentinstag-Experte "Man bricht sich keinen ab, wenn man Pralinen kauft"

Will der neue Partner nur mit mir schlafen? Bin ich zu alt zum Verlieben? Muss man sich in Beziehungen auf Kompromisse einlassen? Zuschriften wie diese beantwortet Malte Welding seit 2010 im Magazin der "Berliner Zeitung" in seiner Kolumne "Die Frage nach der Liebe". Der Autor, Jahrgang 1974, lebt mit seiner Familie in Berlin.
SPIEGEL ONLINE: Am Freitag ist Valentinstag, Tag der Liebe. Ist das Bedürfnis nach Romantik so groß, dass wir den brauchen?
Welding: Ja. Ich finde es einen schönen Gedanken, dass es einen Tag gibt, an dem die romantische Liebe gefeiert wird. Heute ist die Liebesbeziehung wesentlich wichtiger als vor 150 Jahren, weil sie uns mit dem versorgt, was damals vielleicht von der Kirche oder der Großfamilie kam. Dass Liebe sinnstiftend ist, hätte man damals noch nicht gesagt. Und weil die Liebe heute so einen Stellenwert hat, muss man sie ganz anders gestalten, auch an diesem Tag.
SPIEGEL ONLINE: Konkret sieht die Gestaltung oft so aus: In Zeitschriften gibt es Tipps für den perfekten Valentinstag-Sex. Pralinenhersteller, Schmuckfirmen, Blumenhändler, Hotels und Restaurants haben den Tag und die Romantik gleich mit gekapert.
Welding: Und bei allen Angeboten lautet der Subtext: Es ist für die Ewigkeit. Letztlich ist es ja das, was man sich am Valentinstag verspricht. Es tut ja auch einfach gut, die gemeinsame Geschichte zu feiern. Aber bitte nicht mit vorgedruckten Glückwunschkarten. Es ist wichtig, eigene Phantasien für die Beziehung zu entwickeln, die nicht im Postkartenladen zu kaufen sind.
SPIEGEL ONLINE: Womit wir beim Thema Geschenke wären. Was ist, wenn der Partner auf Kitsch-Romantik steht, ich aber nicht? Muss ich dann am Valentinstag mit Blumen und Pralinen aufwarten?
Welding: Das ist das klassische Valentinstag-Dilemma. In einer einigermaßen entspannten Beziehung entsteht so ein Problem nicht, weil man weiß, was dem anderen gefällt. Das Leben ist ja ohnehin leichter, wenn man jemanden an der Seite hat, der keinen total grauenhaften Geschmack hat.
SPIEGEL ONLINE: Wie löse ich das Dilemma?
Welding: Letztlich ist die Sache mit den Geschenken eine Variante der Frage, wie viel und was man für den anderen tun will. Es ist aber eine Variante der harmloseren Art. Du lieber Himmel, dann hat man halt an diesem einen Tag mal was geschenkt, was nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Man bricht sich ja keinen ab, wenn man mal Pralinen kauft. Beschenken ist eine Kunst. Meine Frau hört monatelang hin, was ich irgendwie erwähne. Ich bekomme dann Sachen, von denen ich nicht einmal wusste, dass es sie gibt.
SPIEGEL ONLINE: Wie gehe ich mit peinlichen Geschenken des Partners um?
Welding: Ich plädiere für Gelassenheit. Es ist wie bei einem ersten Date, wenn der andere fürchterliche Schuhe anhat - lasse ich mich davon abschrecken oder nicht? Man sollte den schlechten Geschmack nicht überbewerten. Dann hat der andere halt einmal danebengegriffen.
SPIEGEL ONLINE: Sie plädieren für geheuchelte Freude?
Welding: Tja, das ist ein Problem. Wenn man sich gut kennt, ist es fast unmöglich, echte Freude vorzutäuschen. Meine Frau fängt an zu leuchten, wenn sie sich echt freut. Dieses Leuchten kann man nicht simulieren. Da weiß ich immer schon, wenn das Geschenk nicht so toll ankommt. Man sollte in der Beziehung sagen können, dass man zum Beispiel ein geschenktes Kleidungsstück niemals anziehen wird. Man lebt ja nicht unter Taliban, das ist keine Frage von Leben und Tod. Es sind kleine Zurückweisungen, aber mehr nicht.
SPIEGEL ONLINE: Und wie steckt man sie weg?
Welding: Erstens: Man darf die Beziehung nicht als etwas sehen, das nicht den kleinsten Kratzer verträgt. Und zweitens: Man kann die Geschenke zu einem gemeinsamen Problem machen: 'Schau Schatz, die Auswahl ist einfach zu groß.' Das ist besser als zu sagen: 'Das ist, weil du mich nicht richtig kennst.' Letztens habe ich versucht, Turnschuhe für meine Frau zu finden. Man konnte sich die individuell zusammenstellen. Ich habe nach zwei Tagen aufgegeben und das Projekt meiner Frau übertragen. Sie ist auch gescheitert.
SPIEGEL ONLINE: Kann man sagen: Echte Liebe hält auch den Valentinstag aus?
Welding: Ja.
SPIEGEL ONLINE: Was machen Sie am Valentinstag?
Welding: Ich habe am 14. Februar Geburtstag. Da stehe ich im Mittelpunkt, von mir hat noch nie jemand etwas zum Valentinstag bekommen.
SPIEGEL ONLINE: Und Ihre Frau hat noch nie gemeckert?
Welding: Noch nie. Echte Liebe hält sogar aus, dass am Valentinstag nur mein Geburtstag gefeiert wird.
Ehrlichkeit, Kompromisse, Kinderwunsch: Malte Weldings Antworten auf drängende Beziehungsfragen