Verdacht auf Kindesraub Haitianische Behörden nehmen US-Bürger fest

Angehörige einer christlichen Hilfsorganisation aus den USA sind in Haiti festgenommen worden. Die Gruppe soll versucht haben, über 30 Kinder aus dem Erdbebengebiet zu verschleppen - obwohl deren Familien noch leben. Die Organisation weist die Vorwürfe zurück: Sie habe nur helfen wollen.
SOS Kinderdorf in Haiti: Vorläufige Heimat der mutmaßlich verschleppten Kinder

SOS Kinderdorf in Haiti: Vorläufige Heimat der mutmaßlich verschleppten Kinder

Foto: AFP Photo / Roberto Schmidt

Croix-des-Bouquets - Wegen des Verdachts auf Kindesraub ist in Haiti eine Gruppe von US-Bürgern festgenommen worden, die mehr als 30 haitianische Kinder außer Landes bringen wollte. Ein Großteil der Kinder habe noch Angehörige, die das Erdbeben überlebt hätten, sagte die regionale Leiterin des Hilfswerks SOS Kinderdorf, Patricia Vargas der Nachrichtenagentur AFP. Die Festgenommenen wiesen den Vorwurf des Menschenhandels zurück, sie hätten nur helfen wollen.

Zur genauen Zahl sowohl der Kinder als auch der Festgenommenen gibt es bislang unterschiedliche Angaben. Die haitianische Kulturministerin Marie Laurence Jocelyn Lassegue sagte, die Festgenommenen hätten versucht, 33 Kinder außer Landes zu bringen. Sozialminister Yves Christallin wiederum sprach von 31 Kindern im Alter von zwei Monaten bis zu zwölf Jahren. Ihm zufolge wurden die US-Bürger festgenommen, als sie versuchten, am Freitag mit den Kindern die Grenze zur Dominikanischen Republik zu überqueren, ohne für die Kinder Papiere vorweisen zu können. "Das ist Raub, nicht Adoption," sagte er.

Die US-Botschaft in Port-au-Prince sprach von zehn Männern und Frauen, denen von den Behörden die Verletzung der Einwanderungsbestimmungen vorgeworfen werde. Auch der haitianische Sozialminister sprach von zehn US-Bürgern, die Kulturministerin hingegen von neun. Außer den US-Bürgern wurden dem Sozialminister zufolge auch zwei Haitianer festgenommen.

Die Festgenommenen gehören der christlichen Hilfsorganisation New Life Children's Refuge im US-Bundesstaat Idaho an. Angesichts der chaotischen Situation, in der sich die haitianische Regierung befinde, wollten ihre Mitarbeiter nur helfen, sagte die Chefin der Organisation, Laura Silsby, dem Fernsehsender CNN. Sie hätten absolut nichts mit Kinderhandel zu tun, sagte sie der US-Zeitung "Idaho Press-Tribune". Es habe Missverständnisse mit den Unterlagen gegeben. Ein Vater einer der Inhaftierten sagte CNN, das einzige Ziel der Kirchenmitglieder sei es gewesen, zu helfen.

Kinder vorerst in SOS Kinderdorf untergebracht

"Die meisten Kinder haben noch Familie", sagte Vargas, zuständig für die Arbeit des Hilfswerks SOS Kinderdorf in Zentralamerika, Mexiko und der Karibik. Das SOS Kinderdorf in Croix-des-Bouquets in der Nähe von Port-au-Prince habe die Kinder nach der Festnahme der Erwachsenen am Samstag aufgenommen. Die Information über die Kinder habe sie von der Sozialfürsorge. Auch im Gespräch mit den älteren, über sieben Jahre alten Kindern habe sich herausgestellt, dass ihre Eltern noch am Leben seien. Ein nur wenige Monate altes Mädchen sei wegen Unterernährung ins Krankenhaus gebracht worden.

Durch das Beben in Haiti, bei dem nach offiziellen Angaben 170.000 Menschen starben, stehen zahlreiche Kinder ohne ihre Eltern und andere Schutzpersonen da. Daher wächst die Angst, Menschenhändler könnten sich ihre Hilflosigkeit zunutze machen.

otr/AFP
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