Vertuschung von Missbrauchstaten "Lieber ins Gefängnis gehen als Priester anzeigen"

Kardinal Hoyos von der Kongregation für den Klerus: "Sie haben wohl gehandelt"
Foto: epa ansa/ picture-alliance/ dpaParis - Das kritische katholische Laienmagazin "Golias" veröffentlichte das brisante Schreiben vom 8. September 2001 bereits vor zwei Wochen auf seiner Internetseite. Darin beglückwünscht der damalige Präfekt der Kongregation für den Klerus, Darío Castrillón Hoyos, den französischen Bischof Pierre Pican dazu, einen pädophilen Priester nicht angezeigt zu haben.
"Sie haben wohl gehandelt, und ich freue mich, einen Mitbruder im Episkopat zu haben, der es vor den Augen der Geschichte und allen anderen Bischöfen vorzieht, lieber ins Gefängnis zu gehen, als einen anderen Priester zu denunzieren." Pican habe vorbildlich gehandelt, man werde die Mitbrüder des Bistums in dieser Hinsicht ermuntern, so der Kardinal.
Die Beziehung zwischen einem Priester und seinem Bischof sei keine rein berufliche, sondern eine sakramentale - "eine sehr spezielle Verbundenheit, eine spirituelle Vaterschaft", so der Kardinal. Man könne von einem Bischof nicht erwarten, "dass er selbst andere denunziert". Schließlich, so schlussfolgert der Geistliche, könne auch die zivile Gerichtsbarkeit von niemandem verlangen, dass er gegen einen direkten Verwandten aussagt.
Mindestens elf Missbrauchsopfer
Der pädophile Geistliche war wegen wiederholter Vergewaltigung eines Jungen und sexuellen Missbrauchs an zehn weiteren im Oktober 2000 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Auch Pican musste sich einem Gericht stellen und wurde wegen seines Vertuschungsversuchs zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Die Eltern mehrerer Opfer des Priesters René Bissey hatten Bischof Pican von der westfranzösischen Diözese Bayeux-Lisieux verklagt, weil er als Beichtvater von dem Missbrauch ihrer Kinder gewusst, aber nichts getan habe, um die Taten zu verhindern. Pican, 75, der demnächst in Rente geht, sagte kürzlich dem Sender RTL, dass er es nicht bereue, den Priester damals nicht angezeigt zu haben.
Der Brief des damaligen Präfekten dürfte die katholische Kirche weiter in Bedrängnis bringen. Vatikansprecher Federico Lombardi bestätigte am Donnerstagabend die Existenz des Schreibens, enthielt sich aber eines Urteils. "Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass es sinnvoll war, die Behandlung der Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche bei der Glaubenskongregation zu bündeln", betonte Lombardi.
In einem "Motu proprio", einem auf eigenen Wunsch verfassten Dekret, hatte Papst Johannes Paul II. im April 2001 das "Sacramentorum sanctitas tutela" (Der Schutz der Heiligkeit der Sakramente) erlassen, und darin die Glaubenskongregation als zuständig für alle Fälle von Pädophile und anderer schwerer Verbrechen erklärt. Die wurde damals von Joseph Ratzinger, dem zukünftigen Papst Benedikt XVI., geleitet.
Der Kardinal und die Piusbrüderschaft
Kardinal Hoyos, einst ein einflussreicher "Falke" im Vatikan und von einigen als potentieller Nachfolger von Papst Johannes Paul II. gehandelt, ist heute im Ruhestand. Der konservative Kolumbianer war einst Erzbischof von Bucaramanga und Präsident der lateinamerikanischen Bischofskonferenz. Sieben Jahre lang zeichnete er verantwortlich für die Wiederannäherung an die umstrittene erzkonservative Piusbruderschaft, deren Mitglied Richard Williamson sich heute in Regensburg wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten musste.
Der Bischof der Piusbruderschaft hatte im November 2008 im oberpfälzischen Zaitzkofen einem schwedischen Fernsehteam ein Interview gegeben, in dem er die Existenz von Gaskammern zur NS-Zeit in Frage stellte. Auch seien nicht sechs Millionen Juden, sondern 200.000 bis 300.000 von den Nazis ermordet worden.
"Wir wussten nichts", sagte Hoyos nach dem Eklat der "Süddeutschen Zeitung". Erst am 5. Februar 2009 habe man von der Holocaustleugnung erfahren. Kritiker von Hoyos hingegen sind fest davon überzeugt: Der Kardinal war über Williamsons Geisteshaltung informiert. Bei einem ersten Treffen im Jahr 1998 habe er Williamson als "einen ehrlicher Mann" kennengelernt, einen, "der vertritt, was er denkt", sagte Hoyos der Zeitung im Dezember 2009.
Am heutigen Freitag wurde Williamson in Abwesenheit zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Das Regensburger Amtsgericht befand den 70-Jährigen der Volksverhetzung für schuldig. Williamson nahm nicht persönlich an der Verhandlung teil, weil ihm die Piusbruderschaft nach Angaben seines Anwalts einen Auftritt vor Gericht verboten hatte.