Verzweiflung in Peru "Wir brauchen Hilfe"
San Clemente - Mit Plastiktüten oder Baseball-Kappen in der Hand bitten die Menschen um Almosen. Auf einer Straße, die im peruanischen Erdbebengebiet von der Küste in die Anden führt, stehen sie dichtgedrängt und halten handgeschriebene Schilder hoch: "Wir brauchen Hilfe." Schon vor dem großen Beben lebten die Menschen in der abgelegenen Region im Süden Perus von der Hand in den Mund. Doch jetzt sind die Fabriken beschädigt und außer Betrieb, Dutzende Fischer verloren ihre Boote und noch hat sich keiner wieder aufs Meer hinausgetraut. Die Wasserversorgung ist unterbrochen und Bauern befürchten, dass ihre Tiere sterben und ihre Felder vertrocknen.
Victoria Mancilla steht am Eingang ihrer mit Schilf gedeckten Hütte in San Clemente, in der sie nach dem Einsturz ihres Hauses mit ihren beiden Töchtern lebt. Wie viele andere ernährt sie sich von Reis und Bohnen, die Hilfskräfte am Vortag verteilt haben. Normalerweise verkauft sie Ceviche, ein lokales Fischgericht, auf der Straße.
Doch die 1500 Fischer in der Küstenregion haben sich aus Angst vor Nachbeben noch nicht wieder aufs Meer getraut und warten auf grünes Licht von den Behörden. "Es gibt keinen Fisch und auch keinen Strom, um ihn frisch zu halten", sagt die 58-Jährige. Sie kämpft mit den Tränen. Ihre 23 Monate alte Enkelin ist bei dem Beben getötet worden, ihr Mann hat einen gebrochenen Arm. "Wir müssten doch jeden Tag arbeiten, um durchzuhalten." Victoria Mancilla fragt sich verzweifelt, wo Ziegel und Zement für den Wiederaufbau ihres Hauses herkommen sollen. "Und wir sind doch alle Frauen. Es gibt keine Männer in der Familie, und mein Ehemann ist verletzt."
Der peruanische Präsident Alan García erklärte gestern, die Räumung der Straßen und der Wiederaufbau der rund 80.000 eingestürzten Gebäude habe nun die höchste Priorität. Die Regierung will für die Erdbebenopfer kleine zweistöckige Häuser errichten lassen. In schätzungsweise zwei Wochen seien die Trümmer beseitigt, so dass der Wiederaufbau beginnen könnte, sagte der Präsident - doch in San Clemente hat bisher noch niemand damit begonnen, die Straßen freizuräumen. Rund 2000 Menschen stehen für Hilfsgüter an.
"Wir betteln um Lebensmittel"
In dem kleinen Bauerndorf Palto bringt ein Polizeihubschrauber Säcke mit Reis und Zucker - die erste Hilfe für die 200 Familien seit dem Beben am vergangenen Mittwoch. "Wir betteln an der Straße um Lebensmittel", berichtet Victor Anibal Menes. "Aber die Lastwagen mit Hilfsgütern fuhren durch, weil unser Dorf nicht an der großen Straße liegt." Gemeinsam mit zwei weiteren Männern machte er sich schließlich zu einem Luftwaffenstützpunkt nahe Pisco auf, um dort Hilfe zu erbitten.
Monte Sierpe liegt eine weitere halbe Stunde die Straße rauf. Nahezu jedes Haus ist dort zerstört oder unbewohnbar, und die 274 Einwohner fragen sich, was sie als nächstes essen können. "Sie brachten uns vorgestern Hilfsgüter, und deswegen haben wir heute genug zu essen", sagt Jaime Cervantes. "Sie sagten uns, dass wir später noch eine Lieferung erhalten sollten. Aber es ist wirklich nicht viel."
Ein Glockenturm der Kapelle einer Hacienda aus dem 16. Jahrhundert steht gerade noch. Der andere liegt wie die meisten anderen Gebäude in Trümmern. Die Hausmeisterin ist mit ihrer Familie in einen Bus und eine aus Decken und Holzpfählen errichtete Notunterkunft gezogen. "Wir brauchen Zelte, um unsere Sachen zu schützen", sagt die 42 Jahre alte Luisa Melgar.
Frank Bajak, AP